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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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früh wurde niemand überfallen: Gangster und Sexualverbrecher waren jetzt bestimmt zu Hause und zählten ihre Beute oder schrieben ihre Abenteuer für die Zeitungen nieder. Doch sie schaute kurz beim Bezirkspostamt vorbei, um zu sehen, ob sie Post hatte. Drei Briefe lagen im Fach, zwei für Harry und einer für sie.
    Ihr Umschlag trug das diskrete NTV-Symbol auf der Rückseite.
    Sorgsam legte sie Harrys Briefe wieder in das Fach, damit er sie später auf dem Weg zur Arbeit abholen konnte, und steckte ihren Umschlag entschlossen in einen Schlitz, der für den Versand von Luftpostbriefen gedacht war. Sie wollte das Schreiben nicht sehen. Sie wollte nichts damit zu tun haben. Dann verbrachte sie die nächste halbe Stunde damit, den Brief zurückzufordern, und beschwatzte den Mann am Sortierschalter, daß sie den Umschlag versehentlich eingesteckt hätte. Er ließ sich ihre Personalkarte zeigen, untersuchte ihren Führerschein, ihren Computabuch-Paß, ihren Blutgruppenaufkleber, ihre Travelator-Saisonkarte, ihre Fußgängererlaubnis, ihre Versicherungskarte, ihre Währungskarte, ihre Diners-Karte, ihre Wählerkarte, ihre Strafkarte und ihr Postfachzertifikat und verkündete dann, er müsse seinen Vorgesetzten fragen, der erst um neun Uhr käme. Sie schrie ihn also an, begann die Arme zu schwenken und belegte ihn mit unflätigen Namen, bis er ihr schließlich den Brief gab, weil er es nicht gern sah, wenn sich eine Dameaufregte.
    Sie nahm den Brief mit nach oben, hinaus in die Sonne. Der Umschlag sah dort weniger gefährlich aus, als würde er im Freien nicht so schnell explodieren. Die Bürgersteige füllten sich allmählich. Wieder überkam sie Schüttelfrost, und sie setzte sich in einen kleinen Park mit Grabsteinen und Narzissen, den Brief im Schoß, während sie den Anfall niederkämpfte. Dann öffnete sie den Umschlag.

    Meine liebe Katherine!
    Ich beginne mit dieser Anrede, weil ich nach meinem langen Gespräch mit Ihrem Mann heute nachmittag das Gefühl habe, daß wir bereits alte Freunde sind. Vielleicht wäre alte Feinde eine bessere Bezeichnung, denn ich erfahre von Harry, daß wir beide vermutlich bei einer Reihe von Punkten nicht einer Meinung sein werden.
    Zweifellos hat er Ihnen meinen Vorschlag unterbreitet, und ich kann mir vorstellen, daß Ihre erste Reaktion wie bei den meisten Betroffenen von Widerwillen und vielleicht sogar völliger Ablehnung bestimmt war. Ich weiß jedoch, daß solche Reaktionen das Ergebnis unzureichender Informationen sind, die zu einem Fehlverständnis führen.
    Es ist natürlich unmöglich, meine Einstellung in diesem Brief mit allen Details darzulegen. Ich kann Ihnen nur versichern, daß andere Menschen keine gefühllose Person in mir gesehen haben und daß ich mich überhaupt nur in dem ernsten Glauben an den tiefgreifenden menschlichen Wert dessen an Sie wende, was wir beide zusammen erschaffen können. Es ist vielleicht auch möglich, daß Ihnen meine Erfahrung bei Ihren derzeitigen Problemen hilft.
    Einmal rein praktisch gesehen, könnten Sie unsere Organisation zum Beispiel vor allen skrupellosen, kommerziellen Einflüssen schützen, denen Sie in den kommenden Wochen ausgesetzt wären. Es wäre unsinnig, in diesem Zusammenhang nicht auch die erheblichen finanziellen Vorteile für Ihre Familie zu erwähnen, sollten Sie sich wenigstens zu einer begrenzten Teilnahme entschließen.
    Das Gesetz schützt natürlich Ihr Recht als Bürgerin auf ein Privatleben; wir bei der NTV gehen noch weiter, haben wir doch großen Respekt vor Ihrer Privatsphäre als einzigartiges menschliches Wesen. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Beantwortung Ihrer Fragen zur Verfügung und würde mich freuen, möglichst bald einmal mit Ihnen zu sprechen – auch wenn es kein gemeinsames Fundament geben sollte, auf dem wir uns als intelligente Menschen begegnen könnten.
    Hochachtungsvoll,
Vincent Ferriman

    Sie hatte einen gierigen, aufdringlichen Brief erhofft, den sie sofort hassen konnte. Nach diesem Schreiben blieb ihr nur der Haß auf Vincent Ferrimans diskretprofessionelle Glätte.
    Nicht, daß sie den Brief beantworten wollte: Es gab nichts, was sie sich zu sagen hätten – so intelligent sie auch waren. Wenn sie sterben mußte – was ihr in diesem Augenblick unglaublich vorkam, da selbst die Grabsteine zwischen den Narzissen ihr bestätigten, daß nur andere Leute starben und nicht sie –, wenn sie also schon sterben mußte, dann wollte sie das allein tun.
    Sie fürchtete sich nicht vor Vincent

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