Tod Live
besaß. Und sie wußte, sie brauchte das. Dennoch blieb ihr wenig Zeit, einen Roman zu schreiben.
Vielleicht konnte sie Barbara umprogrammieren, konnte neue Kriterien entwerfen, neue Quer-Assoziationen, neue Wortspeicher-Verbindungen. Das war eine Aufgabe, die sie wahrscheinlich noch erfüllen konnte, wenn ihr die normale Schreibfähigkeit erst verlorengegangen war, bis hin zu den versagenden Körperfunktionen, zur Doppelsichtigkeit, sogar bis hin zu den Muskelspasmen. Wenn sie sich dann nicht schon umgebracht hatte.
Sie arbeitete den ganzen Tag intensiv an den grundlegenden Parametern, kanalisierte ihren Zorn, genoß die Umwerfung von Barbaras heiligsten Prinzipien. Peter lief unterdessen hin und her und leitete die Abteilung, ohne Fragen zu stellen. Einmal blieb er unter der Tür stehen, sah sie an und fand dann, daß dies das mindeste sei, was er für sie tun konnte. Sie würde ihm ihre Sorgen nicht anvertrauen, sondern sie einfach durchstehen. Sie hatten lange zusammengearbeitet, fast drei Jahre… Er fand keinen Trost in diesem neuen Beweis dafür, daß nicht nur Homos einsam waren.
Auch nach drei Uhr blieb er im Büro, wolle er sie doch nicht allein Barbaras mechanischer Konversation überlassen. Er räumte seinen Schreibtisch auf und begann dann wieder von vorn. Er notierte sich Eröffnungen für das Banalitätstestprogramm, von dem Kate gestern gesprochen hatte. Vielleicht freute sie sich, vielleicht lehnte sie aber auch seine Einmischung ab. Jetzt jedenfalls war sie mit etwas anderem beschäftigt, mit ihrem Zorn, der wie ein gefährlicher Dunst ungeklärt in der Luft ihres Büros hing.
Gegen vier Uhr kam ein Anruf von draußen durch, und er schaltete sich ein. Die Anruferin sagte, sie sei Journalistin. Peter war froh, daß er sich eingeschaltet hatte.
»Mrs. Mortenhoe ist nicht da«, sagte er.
»Seltsam… Ich habe sie zu Hause angerufen, und dort ist sie auch nicht.« Die Journalistin schien sich zu freuen. »Vielleicht können Sie mir etwas über Mrs. Mortenhoes Pläne sagen.«
»Pläne?«
Die Frage war entschuldbar, doch er stellte sie. Er war neugierig geworden.
»Ihre Pläne für die nächsten vier Wochen. Wie lange sie bei Computabuch bleiben will. Wo und mit wem sie die Schlußphase verbringen möchte.«
Auf dumme Fragen bekommt man dumme Antworten. Er fiel der Journalistin ins Wort, sagte: »Ich glaube, Sie haben falsch gewählt«, und ließ danach den Hörer neben dem Apparat liegen, damit sie nicht noch einmal anrief.
Lange Zeit starrte er auf die Hörmuschel, aus der die Stimme gedrungen war. Schließlich stand er auf und ging mit weichen Knien zu Katie-Mos Bürotür.
»Katie-Mo, da war ein Anruf für Sie.« Er wollte sie sehen. »Eine Journalistin.«
»Was wollte sie?«
»Ich habe ihr gesagt, Sie wären nicht da.«
»Sie sind ein Schatz. Wahrscheinlich irgendeine Frauenzeitung, die über einen neuen Aspekt des Liebesromans schreiben will.«
»Etwas in der Art.«
Sie hob den Blick von ihrer Arbeit. Er hatte das Gefühl, sein unverzeihliches Wissen müsse ihm auf der Stirn geschrieben stehen.
»Warum gehen Sie nicht nach Hause?« fragte sie lächelnd. »Es ist schon längst Feierabend.«
»Ja, ich glaube, ich gehe jetzt.« Er fühlte sich zu ihr hingezogen und zugleich von ihr abgestoßen. »Wenn es sonst nichts gibt?«
»Sie kennen mich doch, Pete. Immer die eifrige Wühlmaus.«
Er nickte und verließ das Büro. Er verstand ihren Zorn besser als sie selbst. Er fragte nicht, was sie da so geschäftig machte, er stellte überhaupt keine Fragen. Irgendwie hatte er heute schon genug Antworten erhalten.
Katherine wartete einige Minuten, ging dann in sein Büro hinüber, um sich zu vergewissern, daß er fort war, kehrte in ihr Zimmer zurück und rief Dr. Mason im Medizinalzentrum an. Als sie ihren Namen nannte, wurde sie sofort verbunden.
»Katherine. Ich bin bei einem Patienten. Kann ich zurückrufen?«
»Nein. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Sie wegen Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht verklagen werde.«
»Bitte, Katherine. Ich kann jetzt nicht reden.«
»Ein Brief der NTV, und jetzt ein Anruf von der Zeitung. Wer gibt Ihnen das Recht, meine privaten Angelegenheiten überall zu verbreiten?«
»Sie sehen das nicht richtig.«
»Bestimmt kommt auch bald ein Kondolenztelegramm vom Premierminister.«
»So einfach ist die Sache nicht.«
»Sie kommt mir aber sehr einfach vor.«
»Es haben so viele Leute damit zu tun, Katherine, Krankenpfleger, EDV-Operatoren,
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