Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
in der Waffenkammer bewirkt, doch noch immer standen die Besucher dichtgedrängt auf der Wendeltreppe und riefen ärgerlich durcheinander und fühlten sich nicht gut. Da die Rückkehr eindeutig unmöglich und die Nottreppe nur für ›wirkliche‹ Notfälle da war, mußten Katherine und Harry fürden Rest der vorgesehenen Tour bei ihren aufgebrachten Begleitern bleiben. Der Fremdenführer verkürzte klugerweise seine Ansprache, denn niemand achtete mehr auf ihn, und schleuste die Leute in vierzehn Minuten durch.
    »Widerlich. Sie sollte nicht so herumlaufen dürfen, nicht unter gesunden Leuten.«
    »Ich will mein Geld zurückhaben.«
    Das also war ihr Publikum – die leidhungrige Öffentlichkeit Vincent Ferrimans. Und er hatte natürlich recht: Wenn man ihre Pein filterte, einen Fernsehschirm und die Sensibilität eines Regisseurs dazwischenschaltete, waren diese Leute zu wahrhaftigen Orgien des Mitleids fähig. Nur in unmittelbarem Kontakt hatten sie Angst vor ihr. Nur in unmittelbarem Kontakt hätte die Menge unter einem geeigneten Anführer Katherine in Stücke reißen können.
    Vor dem Schloß, auf der anderen Seite der Zugbrücke, wartete eine Schar Reporter. Katherine und Harry hatten sich an die Spitze der Gruppe vorschieben dürfen und gingen als erste durch die Zählstange des Ausgangs. Katherine schritt über die Zugbrücke, auf Harrys Arm gestützt. Bei ihrem Anblick begannen die Reporter zu rufen, eilten vor und machten Aufnahmen. Hinter ihr klickten Leute eifrig durch die Sperre und schoben sie weiter. Die Reporter, die sich mit den Gesetzen auskannten, drängten Katherine zur Seite und umringten Harry.
    »Was ist eigentlich geschehen, Mr. Mortenhoe?«
    »Haben Sie sie gerettet, Mr. Mortenhoe?«



»Hat sie sich umbringen wollen?«
    »Was haben Sie für Pläne, Mr. Mortenhoe?«
    Harry versuchte sich wieder an Katherines Seite zu kämpfen. »Leiderklärung!« rief er. »Lassen Sie uns in Ruhe…«
    Jemand lachte. »Wo ist denn Ihr Abzeichen, Mr. Mortenhoe? Sagen Sie uns bitte, was ist das für ein Gefühl, bald ein Neuer Lediger zu sein?«
    Harry senkte den Kopf, schob sich vor und schlug dabei wild um sich. Er stellte sich dabei nicht sehr geschickt an, doch ein Reporter holte sich eine blutige Nase, und eine Kamera wurde fortgewirbelt und zertreten. Die Stimmen, die ihre Rechte kannten, wurden ärgerlich. Jemand stellte Harry ein Bein, und er stürzte. Die Stimmen umringten ihn.
    Katherine stand unbelästigt in einem ruhigen Schutzkreis des Gesetzes und sah zu, wie man ihm auf die Beine half. Sah, wie er rein zufällig wieder angestoßen wurde, so daß er erneut hinfiel.
    Sie begann zu schreien. Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Plump, erniedrigend, schmerzhaft, verabscheuungswürdig – doch etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Sie schrie in gleichmäßigen Stößen, die Hände lose vor dem Leib verschränkt, die Handtasche unter einen Arm geklemmt, durchaus bewußt, wie häßlich sie aussah. Sie hörte sich häßlich an, sie sah häßlich aus. Doch die Aufmerksamkeit der Menge, die sich auf Harry konzentriert hatte, richtete sich nun wieder auf sie.
    In der plötzlichen Stille wurden ihre Schreie von der grauen Schloßmauer hinter ihr zurückgeworfen. Nachdem sie erst einmal begonnen hatte, hatte sie keine Mühe, das Geschrei fortzusetzen. Etwas anderes kam ihr an diesem sonnigen, leidhungrigen Vormittag nicht in den Sinn. Harry ging zu ihr, durfte zu ihr gehen. Sein Mantel war zerrissen, sein Haar durcheinander, doch ansonsten schien er unverletzt zu sein. Eine Stille, vielleicht ein Gefühl der Scham, lag schwer über der wütenden Menge. Und Katherine schrie weiter, weil sie nicht aufzuhören wagte.
    Taxis warteten, Taxis, die die Reporter und ihre Ausrüstung gebracht hatten. Harry führte Katherine zu einem dieser Wagen – niemand sonst würde es wagen, sie anzurühren –, öffnete die Tür und half ihr hinein. Erst jetzt begann sich die Menge wieder zu bewegen, drängte heran. Er nannte dem Fahrer die Adresse und stieg hinter ihr ein. Er sagte: »Vielen Dank, Kate.«
    Sie saß hinten im Taxi und schrie in gleichmäßigen Stößen. Bestimmt würde sich der Fahrer bald beschweren. Als er anfuhr, wogte die Menge heran, versuchte sie zu erreichen, nachdem das nun unmöglich war, und Hände schlossen sich um die Türgriffe, kratzten über die Fenster. Harry sagte: »Es reicht, Kate.«
    Er würde sie nie zum Aufhören bringen. Er würde neben ihr sitzen und geduldig wollen, daß sie aufhörte. Er

Weitere Kostenlose Bücher