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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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war stolz auf Harry: Er schaffte es bis nach oben, ohne einmal auszuruhen.
    Das Schloß stand auf einem steilen, kleinen Hügel mitten in der Stadt, und seine grauen Türme waren höher als die meisten Häuserblocks in der Nähe. Der Führer unterbrach seine Schilderung vergangenen Ruhms und wies auf aktuelle Sehenswürdigkeiten der Stadt hin. Die Menge geriet in Bewegung und versuchte gestikulierend, ihre eigene Wohngegend zu bestimmen. Die Vergangenheit bedeutete Katherine wenig. Sie zerrte Harry in eine Schießscharte mit dem Schild ›Schießscharte‹.
    Harry straffte die Schultern. »Stell dir mal vor, du wärst hier oben Wächter in stürmischer Nacht.« Er sah sich besitzergreifend um, klopfte mit seiner Hellebarde auf den Boden und ließ sein Kettenhemd klirren.
    Und dann kam unpassenderweise und ohne Vorwarnung die erste Lähmung.
    Sie hatte zunächst mit Schüttelfrost und dem Engegefühl im Kopf gerechnet, doch diese Erscheinungen blieben aus. Statt dessen taumelte sie plötzlich gegen Harry, und der besaß die Geistesgegenwart, sie zu stützen. Es war keine schlimme Lähmung, eigentlich nur ein Bein bis zum Knie, doch Katherine war dankbar, daß Harry bei ihr war – und so geistesgegenwärtig. Sonst hätte sie leicht stürzen und sich weh tun können.
    Er flüsterte ihr beruhigend ein paar Worte zu, und sie lehnte sich gegen seinen bequemen, gar nicht dicken Körper, versuchte sich zu erinnern, ob sie in den letzten Minuten eine Empfindung gehabt hatte, die sie hätte warnen können. Sie hatte zum Beispiel gehört, daß Epileptiker Sterne blitzen sahen oder seltsame Gerüche wahrnahmen. Alles wäre ihr recht gewesen. Aber sie konnte sich an nichts erinnern… Ein Burgwächter mit dem Mützenschildchen ›Burgwächter‹ drängte sich durch die Menge auf sie zu.
    »Nichts da«, sagte er. »Die Schloßverwaltung kann so etwas nicht dulden.«
    Harry wurde rot im Gesicht. »Meine Frau fühlt sich nicht wohl, Wachtmeister.« Er entfernte sich von Katherine, ließ sie taumeln. »Sie sehen selbst, daß sie kaum stehen kann.«
    Der Wächter beobachtete sie. »Sie befinden sich hier auf dem Territorium der Schloßverwaltung, Kumpel. Wenn sie besoffen oder high ist, muß ich das melden.«
    »Sie ist keines von beiden. Sie ist…«
    Der Wächter beschirmte die Augen vor der Sonne. »Ich hab’s! Das ist doch diese Mrs. Sowieso, um die soviel Aufhebens gemacht wird. Ich habe ihr Bild in der Zeitung gesehen.«
    Er trat näher heran, starrte ihr ins Gesicht. Aus Angst, er würde ihr helfen, wollte ihm Katherine sagen, er solle verschwinden. Ihr Unterkiefer bewegte sich auf und ab. Die Lähmung hatte doch nur ein Bein erfaßt – warum konnte sie dann nicht sprechen? Aber es war schon gut; der Wächter wollte ihr gar nicht helfen.
    Obwohl ihr Gesicht auf hundert Millionen Bildschirmen und Titelseiten gewesen war, hatte Katherine die Burg unbemerkt erreichen können. Menschen auf der Straße sahen ihre Mitmenschen nicht an – nur so bewahrten sie ihre geistige Gesundheit. Jetzt jedoch hatte Katherine auf sich aufmerksam gemacht – indem sie sich in einer Schießscharte ungebührlich benahm.
    »Zurückbleiben!« rief der Wächter und wies damit die Leute darauf hin, daß es hier etwas gab, dem sie fernbleiben konnten. Also kamen sie immer näher heran.
    »Armes Ding. Warum ist sie nicht im Sanatorium?«
    »Er hat schuld, bringt sie hier herauf.«
    »Natürlich war sie auf den Bildern viel jünger.«
    »Er wollte sie wohl runterstoßen.«
    »Leidplakette und alles – wofür hält sie sich?«
    »Sie hinunterstoßen? Sei doch nicht blöd – der weiß bestimmt, auf welcher Seite das Brot gebuttert ist.«
    »Natürlich keine gewöhnliche Frau wie wir.«
    »Aber sie ist wirklich sehr bleich.«
    »Haben Sie noch nie von Schminke und Puder gehört? Was manche Leute für Geld tun!«
    Während hinter der Menge ein Mann ruhig zusah, das graugrüne Jackett wegen der Hitze über die Schulter geworfen.
    Katherine schloß vor den schnappenden Mündern die Augen. Und hinter ihr die glatte Steinbrüstung und dahinter der Wind. Als sie wieder sprechen konnte, hatten die anderen nichts mehr zu sagen. Das Gefühl kehrte in ihr Bein zurück, und sie schritt los.
    »Und wieder mal viel Aufregung um nichts, wenn Sie mich fragen.«
    »Public Relations, meine Liebe. Haben Sie noch nie von Public Relations gehört?«
    Der Fahrplan der Führungen war nun ernsthaft durcheinandergeraten. Der Führer hatte nach unten telefoniert und einen Stop

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