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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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Menschen, die sich hereindrängten, die herumsaßen, husteten und sich kratzten und stöhnten. Solche Menschen. Ich war froh, daß wir nicht in Tasmanien ›drehten‹. Neben dieser Art von sozialem Realismus war Tasmanien die reinste Kulisse. Das Kirchenschiff enthielt die Eß- und Kochgelegenheiten, und ein Schild wies den Weg zu den WASCHUNGEN durch eine Tür hinter der Kanzel. Während hinter der Abschirmung der Altarraum dunkel und still dalag, von einer einsamen, roten Flamme erhellt, ein winziger Funke des Rätsels in dieser so unrätselhaften Welt.
    Ein winziger Funke des Rätsels – das war ein guter Satz, den ich an Vincent weitergeben mußte. Ich merkte mir vor, ihn später durchzugeben. Ich konnte doch kaum im vollen Schlafraum auf meinem Bett sitzen und ins Leere Fernsehkonversation machen. Hoffentlich gaben mir die Waschräume etwas Abgeschiedenheit.
    Heiße Luft strömte durch die Gitter im Boden und ließ den Raum nach Schweiß und billigem Essen und angesengtem Staub riechen. Hoch über uns waren die mittelalterlichen Gewölbe in einem letzten Aufbegehren von Größe bemalt und vergoldet worden – doch es waren die Gitter, an denen wir uns Hände und Herzen erwärmten. Auch sprachen wir leise, damit das Echo unserer Stimmen nicht aufgegriffen würde und uns den gleichgültigen Steinen offenbarte…
    Als Katherine Mortenhoe von ihrem Bett fiel, schaute ich gerade nicht in ihre Richtung, aber das leise Geräusch, das sie hervorrief, und die Kettenreaktion der Stille, die nun eintrat, erregten sofort meine Aufmerksamkeit. Zum Bett zurückzuschwenken und es plötzlich leer zu finden, war aufnahmetechnisch auch viel interessanter. Ich stand auf und ging aufbestrumpften Füßen zu ihr. Ihr Schüttelfrost schien nachgelassen zu haben. Offenbar war sie bereits am zweiten Ziel von Dr. Masons Pauschalreise angekommen.



Alle beobachteten mich. Und hörten zu. »Jeder geht auf seine Weise unter«, sagte ich. »Aber meine Methode halte ich für besser.«
    Es waren die ersten Worte, die ich zu ihr sagte. Zu ihr, nicht zu den anderen. Und wenn sie mich später nach einer Erklärung gefragt hätte, hätte ich die Worte abgestritten. Sie hatte kein Recht auf Erklärungen. Sie war eine Frau im mittleren Alter, verschmutzt, unbeschreiblich gekleidet, von Lähmungen befallen, unehrlich, auf dem geschrubbten Boden eines heruntergekommenen Kirchenschlafraums liegend. Sie lag genau auf dem Grabstein einer gewissen Suzann Pierce, der geliebten Frau von Samuel Pierce, Mutter von Jonathan, Mary, Cathcart, Borden und Sumner, geboren 1793, gestorben 1867. Also bückte ich mich, hob sie hoch, hoffte, sie würde nie die Grabinschrift lesen, und legte sie wieder aufs Bett.
    »Habe ich schon mal gehabt«, sagte sie. »Geht vorüber.«
    »Hoffentlich.« Ich überlegte, daß sie eigentlich nach dem Zeug riechen müßte, wenn sie sich als Säuferin ausgeben wollte. »Was nehmen Sie?« fragte ich. »Heroin? Oder nur Benzedrin-Pillen?«
    Sie starrte mich an. Offenbar war ihr der Gedanke an ein Alibi noch gar nicht gekommen. »So was Ähnliches«, sagte sie schließlich.
    Ich setzte mich zu ihr aufs Bett. Es quietschte unangenehm unter unserem Gewicht. Auf der Decke bemerkte ich ihre Handtasche, die kostbare Handtasche. Ohne diese Tasche hätten wir sie nie aufgespürt. Wir hätten eigentlich genügend Informationen über sie haben müssen, aber wir wußten nicht genug. In unserer Diskussion hatten wir sie angesichts der Aussage des Taxifahrers in eine teure Perücke mit Sonnenbrille gekleidet und sie an einem sonnigen Ort vermutet, etwa sechs Flugstunden von Amsterdam entfernt. Schließlich hatte sie das Geld. Der Anruf von Vincents Beschatter bewies uns, wie wenig wir wirklich über sie wußten.
    »Kann ich Ihnen nicht die dumme Brille abnehmen?« fragte ich.
    »Lassen Sie mich in Ruhe.«
    »O nein.« Die Zuschauer mußten sie sich richtig ansehen können, aber das hatte vielleicht noch Zeit. »Woher kommen Sie?«
    Sie starrte mich nur an.
    »Und wohin geht die Reise?«
    Wenn es in unseren Kreisen eine Regel gab, daß man solche Fragen nicht stellte, wußte sie jedenfalls nichts davon. »Aus der Stadt«, sagte sie.
    »Ich auch.«
    »Aber nicht in meine Richtung.«
    »So wie Sie aussehen, könnten Sie Gesellschaft brauchen.«
    »Nein.«
    Ich wartete, aber als nichts mehr kam, stand ich auf und kehrte zu meinem Bett zurück. Wenn sie noch nicht soweit war, konnte man nichts machen. Ich hatte viel Zeit. Statt dessen versuchte ich zur

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