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Tod Live

Tod Live

Titel: Tod Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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oder stahl man sich etwas zusammen. Sie kam sehr schnell zu dem Schluß, daß von den drei Möglichkeiten die letzte sie am wenigsten belasten würde.
    Etwa eine Viertelstunde lang wanderte sie ziellos im Heliport herum, auf der Suche nach einer offenstehenden Tasche oder einem Gepäckstück, das sie klauen konnte. Dann begann sie Kaffeeautomaten zu bearbeiten, in der Hoffnung, einige Münzen herauszuholen. Die Situation entwickelte sich schnell zur Farce. Innerlich brüllte sie schon vor Lachen. Brüllte vor Gelächter!
    Schließlich tat sie etwas, was sie einmal eine Frau hatte machen sehen, zu überrascht, um einzugreifen. Kurz entschlossen eilte sie in den nächsten Laden. Nahm offen ein Paket Strümpfe aus einem Fach und ging damit zum umlagertsten Tisch. Verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen.
    »Entschuldigen Sie«, sagte sie großartig. »Ich habe die Strümpfe vor etwa zehn Minuten hier gekauft, und…«
    »Nicht bei mir.«
    Das Gesicht auf der anderen Seite der Theke war rattenspitz. »Nein, bei einem der anderen Mädchen. Als ich mir die Strümpfe draußen ansah, war’s doch die falsche Farbe.«
    »Wo ist denn Ihr Bon?«
    »O je!« Sie tat nervös. »Hätte ich den aufheben sollen?«
    »O ja.«
    Sie hatte das Rattengesicht nicht verdient. Eine nette, mütterliche Frau hätte dort stehen sollen, die ihr das Geld gab, ohne Schwierigkeiten zu machen. So war’s jedenfalls das andere Mal gewesen.
    »Ich fürchte, den Bon habe ich in eine Abfalltonne geworfen. Ich könnte natürlich versuchen, das Ding auszugraben…«
    »Ja, könnten Sie.«
    Das Rattengesicht musterte Katherine – ihre Kleidung, ihre schöne, teure Handtasche – ein Verlobungsgeschenk von Harry –, ihr Gesicht. Beim Anblick des Gesichts verkrampften sich die spitzen Züge. »Dann geben Sie mal her.«
    Die Strümpfe wurden ihr aus der Hand gerissen. »Wir dürfen doch nicht zulassen, daß sich die verdammt feine Mrs. Mortenhoe ihre verdammt feinen Hände im Abfall schmutzig macht, nicht wahr?«
    »Eins achtundzwanzig haben sie gekostet«, sagte Katherine ruhig. Sie war eine Diebin. Sie gedachte Vincent hereinzulegen. Sie wollte betrügen. Da mußte sie mit Demütigungen rechnen.
    Im Gepäckraum lehnte sich Katherine gegen ihr Fach und zählte die harten, runden Münzen in der Hand. Eins achtundzwanzig. Die Szene hatte sich gelohnt. War wichtig. Sie hatte sich noch nie so reich gefühlt. Sie löste ihren Schlafsackbeutel aus und hatte noch immer achtundsiebzig Pence. Und nach dem Schlitz der Toilettenkabine hatte sie noch dreiundsiebzig. Sie war reich.
    Es war unbequem, sich in der Enge umzuziehen. Links und rechts von ihr kamen Frauen, spülten und gingen wieder. Sie hatte schon manchmal solch unheimlich geschlossene Kabinentüren gesehen und unerklärliche Geräusche gehört und sich unbequeme lesbische Szenen vorgestellt. Jetzt wußte sie endlich, was da wirklich vorgegangen war. Hinter den geschlossenen Türen hatten Frauen ihr altes Leben ausgezogen und ungeschickt das neue angelegt.
    Der Unterrock paßte ziemlich gut, doch der Umhang war viel zu lang, so daß sie ihn an der Hüfte hochziehen und über den geflochtenen Haargürtel drapieren mußte. Das Halsband sah eigentlich ganz hübsch aus. Sie fragte sich, ob Frauen aus den Randgruppen wirklich Höschen und Büstenhalter trugen.
    Aber das war sicher egal: es war unter ihrer lächerlichen Aufmachung nicht zu sehen, und sie fühlte sich geborgener. Sie entdeckte, daß sie Peters Taschentuch mitgenommen hatte, und wischte damit ihr Make-up fort, wonach ihr Gesicht passend verschmutzt und fettig aussah. Dann faltete sie ihre Katherine-Mortenhoe-Sachen zusammen und steckte sie mit Handtasche und Schuhen in den Schlafsack. Sie hätte das Zeug gern fortgeworfen und damit auch jede Erinnerung an ihr altes Ich, aber es war sinnlos, Vincents Männern einen Hinweis zu geben, daß sie nun verändert, reformiert war. Sie wollte die Kleidung später fortwerfen – an einer Stelle, wo sie nicht so leicht zu finden war.
    Sie versuchte in den Holzpantinen zu gehen; zwei winzige Schritte vorwärts und zwei zurück. Die dicken Socken verhinderten, daß ihr das Holz von den Schuhen rutschte. Sie glaubte, daß sie es schaffen würde. Sie fuhr mit den Armen in die riesige Soldatenjacke, legte Motorradbrille und Südwester an und war bereit.
    Sie war eine Ausgeflippte, eine torkelnde Groteske. Die Kabinentür zu öffnen und der Welt gegenüberzutreten, erforderte mehr Mut als alles

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