Todesakt: Thriller (German Edition)
gelernt, dass sich ein erfolgreicher Einbruch eigentlich nur auf drei Grundsätze stützte. Erstens musste die Beute das Risiko wert sein. Zweitens war es notwendig zu wissen, wie man unbemerkt ins Gebäude eindringen konnte. Und drittens – und das war das Wichtigste – musste es einen Notausgang geben.
Cobbs Wohnung war klein, spartanisch möbliert und hatte nur zwei Zimmer. Lena überprüfte die Fenster. Wenn es Probleme geben sollte, war das Schlafzimmerfenster vermutlich der beste Fluchtweg, allerdings musste man etwa sieben Meter tief auf eine Betonfläche springen. Lena öffnete das Fenster und spielte die möglicherweise notwendige Flucht in Gedanken durch. Nachdem ihr Plan feststand, beschloss sie, die Wohnung in umgekehrter Reihenfolge zu durchsuchen. Anders als die meisten Profis fing sie nicht im Schlafzimmer an, sondern arbeitete sich bis dorthin vor.
Wohnzimmer und Küche bestanden aus einem etwa dreißig Quadratmeter großen Raum, der seit langer Zeit nicht mehr frisch gestrichen worden war. Das Sofa stand an der Wand. Ein alter Küchentisch mit Beinen aus Stahlrohr und einer Resopalplatte und zwei Stühle standen vor dem Fenster. Lena bemerkte einen Computer, Quittungen, Kleingeld und ungeöffnete Post. Anscheinend benutzte Cobb den Tisch als Schreibtisch; das Regal daneben an der Wand diente zur Aufbewahrung von Unterlagen und Büchern. Auf dem Boden vor einem alten Fernsehapparat stapelten sich Akten und Papiere.
Lena schaltete den Computer ein. Während er hochfuhr, blätterte sie die an der Wand aufgeschichteten Papiere durch, die sich anscheinend alle mit Cobbs privater finanzieller Situation befassten. Als sie einen Kontoauszug aus jüngerer Zeit überflog, stellte sie fest, dass der Großteil von Cobbs Gehalt an seine Exfrau überwiesen wurde. Der Rest ermöglichte ihm mehr schlecht als recht ein Leben hier in der Vineland Avenue neben einem Schnapsladen und einem Münzwaschsalon.
Lena schob den bedrückenden Gedanken beiseite und warf einen Blick auf den Computer. Er lief zwar inzwischen, war aber eigentlich nicht das, was sie wirklich interessierte. Sie sah auf die Uhr. Schon fünf Minuten vorbei. Sie musste sich beeilen.
Die Schubladen und Schränke in der Küche förderten keine Geheimnisse zutage, auch nicht der Kühl- und Gefrierschrank. Auf dem Bord über der Spüle entdeckte sie ein Foto in einem billigen Plastikrahmen. Aus der Entfernung hielt sie es für eine Aufnahme von Cobb mit Frau und Kindern aus der Zeit, bevor es mit seiner Ehe bergab gegangen war. Doch als sie danach griff, sah sie, dass es sich um ein mit dem Rahmen geliefertes Foto handelte. Die Menschen darauf waren Fotomodelle und spielten eine Familie, ein Abklatsch des amerikanischen Traums – breit lächelnd, erholt und gut ernährt.
Lena stellte das Bild weg. Nachdem sie die Polster auf dem Sofa angehoben hatte, wandte sie sich dem Schlafzimmer zu.
Unerbittlich saß ihr die Zeit im Nacken, und Lena sah ständig die alte Frau im offenen Fenster vor sich. Außerdem hatte sie die Stimme ihres Einbrecherfreundes im Ohr, die sie dafür rügte, dass sie gegen die wichtige Regel Nummer zwei verstoßen hatte.
Hastig durchwühlte sie Cobbs Kommode Schublade für Schublade und stellte enttäuscht fest, dass die Pistole fehlte. Dann hob sie die Matratze an und spähte unter das Bett, warf einen Blick auf das oberste Regal im Wandschrank, untersuchte Cobbs Kleider und bückte sich, um rasch den Schrankboden in Augenschein zu nehmen. Im nächsten Moment erstarrte sie.
Nicht die Waffe, sondern ein blauer Aktenordner lag versteckt hinter einem Schuhkarton.
Lena schob die Schuhe weg und nahm ihn. Als sie das Inhaltsverzeichnis studierte, Lily Hights Namen las und erkannte, dass die Akte von Papieren überquoll, die ihr noch nie zuvor untergekommen waren, zögerte sie keinen Moment.
Den Ordner fest in der Hand, schloss sie die Schranktür.
Danach eilte sie ins Wohnzimmer, um einen raschen Blick auf Cobbs Computer zu werfen. Die Festplatte enthielt nichts Außergewöhnliches. Doch als sie seine Lesezeichen kontrollierte und seine E-Mails überflog, hielt sie inne.
Offenbar war Cobb ein häufiger Besucher von Dating-Websites gewesen. Lena zählte mindestens hundert Mails von einer Frau, die sich Betty Kim nannte. Sie wählte willkürlich eine Mail aus, in der Kim ihren Körper beschrieb und ausführte, was sie sich in einer sexuellen Beziehung erwartete. Sie bezeichnete sich selbst als »scharf«, überließ nichts der
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