Todesakt: Thriller (German Edition)
sondern abgeschnitten. Blut strömte über das Hemd des Mannes und rann ihm über die Hände. Lily wischte sich die Finger an einer Serviette ab.
Solch einen Traum wünschte man sich nicht als Fortsetzungsroman. Drei- oder viermal war Lena aufgewacht – oder besser, schweißnass hochgeschreckt. Doch schon nach fünfzehn oder zwanzig Minuten hatte der Traum sie wieder mit in den Abgrund gerissen. Und jedes Mal saß sie an diesem Tresen und beobachtete, wie Lily mit ihrem Mörder den Club verließ.
Lena warf einen Blick auf das Päckchen Camel Lights auf dem Armaturenbrett, widerstand allerdings der Versuchung, sich eine anzuzünden. Eine Viertelstunde später war sie in der Gerichtsmedizin angekommen, hatte die Sicherheitsschleuse passiert und ging den Flur entlang zu Martin Orths Büro. Zu dieser frühen Stunde waren noch nicht viele Leute im Haus.
Sie traf Orth an seinem Schreibtisch an. Er starrte auf seine Kaffeemaschine und machte gute Miene zum bösen Spiel, während das Gerät gurgelte und zischte. Der Mann war offenbar hundemüde und vermutlich in der Lage, die ganze Kanne allein auszutrinken.
»Okay«, begann sie. »Sagen Sie mir, was ich wissen muss.«
Orths Blick wanderte von der Kaffeemaschine zur Tür, wo Lena stand.
»Sie können Hight festnehmen«, sagte er. »Das Blut an seinem Schuh stammt von Gant. Zweifel ausgeschlossen. Hight war in der Nacht, als Bosco und Gant erschossen wurden, im Club 3 AM. Hight war in diesem Raum.«
Lena setzte sich auf den Stuhl neben Orths Schreibtisch. Inzwischen betrachtete er wieder die Kaffeemaschine. Sein Tonfall klang merkwürdig.
»Ich werde Tim Hight nicht festnehmen«, entgegnete sie.
»Warum nicht? Die DNA beweist, dass er dort war.«
Ebenso wie das in seinem Haus gefundene Kokain, das Überwachungsfoto vom Club, das zeigte, wie Hight wegfuhr, und vielleicht sogar die Hundertdollarscheine. Allerdings war Hights Anwesenheit vor Ort auch der einzige Beweis.
Seit Orth ihr mitgeteilt hatte, die an Lilys Hose gesicherten Spuren deuteten auf einen dritten Mann hin, grübelte Lena über diese Frage nach. Es musste einfach eine andere Erklärung dafür geben, warum Tim Hight in der Nacht des Mordes an Bosco und Gant im Club gewesen war. Hatte Gants Bruder ihr nicht erzählt, Gant und Hight hätten sich am fraglichen Tag gestritten? Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
Offenbar hatte Gant Hight im Eifer des Gefechts eröffnet, dass sie kurz davor stünden, den wahren Mörder seiner Tochter zu enttarnen.
Er habe Lily nicht getötet, und er und Johnny Bosco würden das noch an diesem Abend ein für alle Mal klarstellen.
Hight hatte ihm sicher nicht geglaubt, und so war es zu einer Auseinandersetzung gekommen. Allerdings hatte Hight Gant bestimmt weiter beobachtet und sich im Laufe des Tages seine Gedanken über Boscos Rolle in dieser Angelegenheit gemacht. Und als Gant zu seinem Treffen mit Bosco gefahren war, hatte Hight seine Neugier vielleicht nicht mehr zügeln können und war ihm gefolgt.
»Hight ist unser Mann«, sagte Orth. »Aber Sie scheinen nicht überzeugt zu sein, Lena.«
»Bin ich auch nicht«, erwiderte sie. »Wir sind schon einen Schritt weiter, Marty.«
Orth fing zu lachen an. Ein irrwitziges Gelächter stieg tief aus seiner Kehle. Lena hatte ihn noch nie so erlebt. Sie war verunsichert und befürchtete fast, er sei im Begriff, den Verstand zu verlieren.
»Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte er.
»Nein danke.«
Immer noch lachend, stand Orth auf, goss Kaffee in eine Tasse mit Dodgers-Emblem und kehrte an seinen Schreibtisch zurück.
»Was ist, Marty? Fehlt Ihnen was?«
»Alles bestens«, antwortete er und trank einen Schluck. »Sogar ausgezeichnet. Sie wollen Hight nicht festnehmen, und das ist gut so, Lena. Wirklich gut. Allerdings auch verrückt. Das Leben schlägt manchmal die eigenartigsten Kapriolen.«
»Was für Kapriolen? Was ist passiert?«
Er musterte sie lange.
»Es geht um die Waffe, mit der Bosco und Gant getötet wurden«, erwiderte er schließlich. »Die Suche nach der, die Hight gekauft hat, hätten wir uns sparen können.«
Sie beugte sich vor.
»Haben die Ballistiker was gefunden?«
Er nickte, offensichtlich nervös.
»Ein Volltreffer, Lena. Eine Erkenntnis, wie man sie normalerweise so um halb fünf Uhr morgens hat. Sagt Ihnen der Name Elvira Wheaten was? Die Schüsse, die aus einem vorbeifahrenden Auto in Exposition Park abgegeben worden sind. Muss vor acht Jahren gewesen sein. Ihr kleiner Enkel
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