Todesakt: Thriller (German Edition)
auf den Tisch. Während Lena sie studierte, nahm Vaughan die Version aus seinem Aktenkoffer, die Bennett und Watson vor Gericht präsentiert hatten. Lena überprüfte das dritte Dokument, das ihr Vertrauen in die Gerechtigkeit tief erschütterte.
»Sie haben eine bearbeitete Version eingereicht«, flüsterte sie.
Vaughan sah sie an.
»Ist dir der Fall Michael Skakel ein Begriff?«
Sie nickte.
»Ethel Kennedys Neffe. Er wurde wegen des Mordes an Martha Moxley vor Gericht gestellt. Die beiden waren noch Jugendliche. Er war damals fünfzehn.«
Vaughan zog sich einen Stuhl heran und setzte sich.
»Der Staatsanwalt hat Tonbandaufnahmen gemacht, auf denen Skakel von Selbstbefriedigung und seiner Angst sprach, dabei erwischt zu werden. Und dann hat er sie geschnitten, bis es so klang, als gestehe er den Mord und habe befürchtet, man könne ihm die Tat nachweisen. Als Skakel gegen das Urteil in die Revision ging, entpuppte sich der Richter als ebenso ignorant und skrupellos wie der Staatsanwalt.«
Lena griff nach der Fallakte aus Cobbs Wohnung. Die unzähligen Unterlagen in dem Ordner fehlten in der Akte, die der Detective ihr vor wenigen Tagen gegeben hatte. Beim Durchblättern stieß sie auf ein vertrautes Papier. Sie hielt inne. Es war eine Kopie des Ergebnisses des Lügendetektortests, das Paladino an Higgins, Bennett und Watson geschickt hatte. Außerdem war etwas an die Rückseite des Berichts geheftet – ein Brief, adressiert an Bennett. Verfasser war Cesar Rodriguez, der forensische Psychophysiologe, der den Test bei Gant durchgeführt hatte. Rodriguez hatte sich bei Bennett für Gant eingesetzt. Laut Rodriguez gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass Gant etwas mit dem Mord an Lily Hight zu tun hatte. In all seinen Jahren am kriminaltechnischen Institut der Polizei von Los Angeles habe er selten einen so klaren Fall erlebt. Deshalb sei er bereit, sich für Gant zu verwenden und sogar seinen guten Ruf in den Ring zu werfen.
Und Bennett hatte offenbar nichts dabei gefunden, diesen leidenschaftlichen Appell zu ignorieren.
Lena bekam ein Brennen in der Brust wie von einer weißglühenden Sonne, die Regentropfen trocknete, noch ehe sie den Boden berührten. Sie wusste, dass Anwälte vor Gericht ebenso Tatsachen verdrehten wie Politiker im Wahlkampf, doch das hier war etwas anders. So etwas Schäbiges und Widerwärtiges war ihr noch nie untergekommen.
»Ich möchte mich mit Bennett treffen«, sagte sie.
»Warum? Du machst einen ziemlich sauren Eindruck. Diese Leute sind gefährlich. Ich möchte dich ja nicht ängstigen, Lena, aber uns droht inzwischen offenbar dasselbe Schicksal wie Bosco und Gant.«
Lena schüttelte den Kopf.
»Ich muss ihn etwas fragen. Könntest du ihn bitte anrufen? Ich habe seine Nummer nicht.«
Nach einem zweifelnden Blick griff Vaughan zum Telefon und wählte Bennetts Büronummer.
»Tracy, hier spricht Greg«, sagte er. »Ist er da? Ich muss mit ihm reden. Es ist wichtig.«
Vaughan hörte Bennetts Sekretärin zu, bedankte sich und legte auf.
»Was ist?«, fragte Lena.
»Er ist nicht im Büro«, antwortete er, »sondern beim Mittagessen.«
»Wo?«
»Laut Tracy ist er mit Watson zusammen.«
»Hast du seine Mobilfunknummer? Wo sind sie?«
Vaughan warf ihr einen Blick zu und senkte die Stimme.
»Sie glaubt, dass sie ins Bonaventura wollten.«
44
Der Sicherheitschef im Bonaventura wirkte nicht sonderlich erfreut, als Lena ihn bat, mit seinem Generalschlüssel eine Suite im vierundzwanzigsten Stock zu öffnen. Er wusste offensichtlich Bescheid, dass die Suite von der Staatsanwaltschaft gemietet worden war und was dort gerade vor sich ging. Lenas einzige Trumpfkarte war, dass Roy Romero zwanzig Jahre lang Polizist gewesen war, und zwar ein guter.
»Die schmeißen mich raus«, protestierte er. »Und ich hänge wirklich an diesem Job.«
»Wer behauptet denn, dass dort jemand ist?«
Er zog eine Augenbraue hoch. Romero vermutete das nicht nur, er war sicher.
»Nichts für ungut, Detective, aber wollen Sie wirklich da rein? Sie könnten sich nämlich auch selbst in Schwierigkeiten bringen.«
»Wer den Generalschlüssel ins Schloss gesteckt hat, braucht niemand zu erfahren, Romero. Also, was ist? Arbeiten Sie jetzt mit uns zusammen, oder wollen Sie einen Detective daran hindern, in einer polizeilichen Angelegenheit tätig zu werden?«
»Polizeiliche Angelegenheit?«, entgegnete er sarkastisch.
Lena fand den Mann zwar sympathisch, blieb jedoch zurückhaltend. Nach einer Weile
Weitere Kostenlose Bücher