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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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und wir beide hatten noch nicht die Gelegenheit, uns konkret über Ihren Einsatzbereich auszutauschen. Ich denke, heute ist der richtige Tag dafür.«
    »Soll ich Kuchen mitbringen?«, konnte Wencke sich nicht verkneifen. Doch die Verbindung war bereits beendet.
    Die Stadtschule lag zwischen hohen Bäumen am Ufer der Westaue, ein moderner Klinkerbau mit dreieckigen Fensterelementen und ein paar gezielt gesetzten Farbtupfern, die dem Ganzen einen gewollt verspielten Anstrich verliehen. Doch kein einziges Kind zeigte sich auf den Klettergerüsten und die Vordertür war verschlossen. Erst auf das energische Klopfen hin öffnete eine Reinigungskraft den Eingang und führte Wencke und Peer Wasmuth über einen feucht gewischten Fliesenboden zum Lehrertrakt.
    Eine ältere Pädagogin war noch anwesend, packte gerade ihre Tasche und erschrak ein wenig, als sie bemerkte, dass Besuch gekommen war.
    »Entschuldigen Sie, wenn wir hier so hereinplatzen.« Wencke ging auf sie zu und grüßte mit einem verbindlichen Handschlag. So hoffte sie, sich um nähere Erklärungen zu bringen, wer sie eigentlich war und mit welcher Befugnis sie in einer Wunstorfer Grundschule Fragen stellte. »Es geht um einen Ihrer Schüler, Azad Talabani. Wissen Sie zufällig, ob er heute in der Schule war und wann er nach Hause gegangen ist?«
    »Moment«, gab sie sich geschäftig und setzte eine Lesebrille auf, die bislang an einer Kette über dem flaschengrünen Pullover gebaumelt hatte. Der Finger lief über eine lange Namensliste, die an der Pinnwand hing. »Wir haben zweihundertfünfzig Kinder auf unserer Schule, da kann man nicht alles im Kopf haben.« Dann tippte sie auf eine Zeile. »Klasse 2b. Bei der Kollegin Issel-Bergemann.« Mit einer tänzerischen Bewegung drehte sie sich um neunzig Grad und nahm eine andere Liste ins Visier. »Die hatten heute um halb zwölf Schulschluss. Aber soweit ich es sehen kann, ist der Junge in der Betreuung, die geht bis Viertel vor eins.« Jetzt wandte sie sich wieder an Wencke. »Was ist denn mit ihm? Wird er vermisst?«
    Im Grunde ja, dachte Wencke. Die Uhr im Lehrerzimmer zeigte Viertel nach zwei, demnach hatte Azad seit anderthalb Stunden frei, ohne zu Hause angekommen zu sein. Grund genug, sich Sorgen zu machen, die Tatsache, dass seine Mutter in der letzten Nacht ermordet worden war, kam mehr als erschwerend hinzu. Trotzdem entschied sie sich für eine ausweichende Antwort. »Es gab einen Unglücksfall in seiner Familie. Wir wollen ihn darauf vorbereiten   …«
    Wasmuth machte einen mutigen Schritt nach vorn. »Ich komme von Kiffen   …«
    Die Pädagogin schaute ihn entgeistert an.
    »Das ist der Verein für christlich-islamische Freundschaft. Daher kenne ich die Familie Talabani.«
    Die Frau verzog den Mund. »Wer kennt die hier in Wunstorf nicht?«
    Fast unbemerkt war ein junger Mann in das Lehrerzimmer getreten. Er machte einen entspannten Eindruck, wirkte voller Tatendrang. Vom Alter und von seiner Haltung her tippte Wencke auf einen Referendar.
    Er räusperte sich. »Ich krieg grad das Gespräch so mit halbem Ohr mit. Der Azad wurde heute nach der Betreuung von seiner großen Schwester abgeholt. So wie immer.«
    »Kennen Sie den Jungen?«
    »Ich habe ihn in Sport. Blaue Augen und keine eins vierzig hoch, aber eine Stimme wie nach drei Schachteln Zigaretten. Ein süßer kleiner kurdischer Macho, hat so einen dunklen Schulranzen mit roten Ferraris drauf, typisch Junge eben.« Der Lehrer befestigte Fahrradklammern an seiner Jeans. »Nur wenn seine Schwester ihn abholt, dann kuscht er.«
    »Ist Ihnen heute irgendetwas an ihm aufgefallen?«
    Nach kurzem Überlegen nickte der Mann. »Er hat erzählt, dass er heute nicht zum Fußball gehen kann, weil er seinen Vater besucht. In der Umkleidekabine habe ich dann gesehen, dass in seinem Schulranzen Zahnbürste, Schlafanzug und Teddybär steckten. Ich habe ihn gefragt, ob das wohl ein längerer Besuch werden sollte bei seinem Vater, und er sagte, seine Schwester habe gemeint, er solle das alles einpacken.« Nun wurde der Jungpädagoge etwas aufgeregter und wandte sich an seine Kollegin. »Der Vater ist doch umgangsberechtigt? Oder nicht?«
    Diese zuckte die Achseln. »Bei der Familie blicke ich nicht mehr durch.«
    »Wirkte der Junge denn verstört?«, hakte Wencke nach.
    »Eigentlich nicht. Hatte eine große Klappe wie immer. Aberso sind die meisten Jungen seines Kalibers. Azad ist da weder schlimmer noch besser.«
    »Seines Kalibers?«
    »Na ja, korrekt

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