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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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doch eine winzigkleine Sünde beging sie, als sie einen Bilderrahmen mit dem Konterfei der Toten in ihrem Rucksack verschwinden ließ, für alle Fälle, man konnte ja nie wissen   … Jetzt wurde es Zeit, sich aus dem Staub zu machen.
    Was sie gesehen hatte – oder genauer gesagt: was sie nicht gesehen hatte – musste ausreichen, um sich ein Bild zu machen. Denn wer immer der hübschen Kurdin das Leben genommen hatte, war kein Getriebener gewesen, hatte ohne Hast und Druck gehandelt. Die Tür des Schlafzimmers war von außen abgeschlossen gewesen, der Schlüssel lag leicht erkennbar auf dem Türrahmen. Es gab kein Chaos, nichts war umgefallen oder vom Tisch gefegt, es musste sich also um einen leisen, bedachten Mörder handeln. Entweder hatte dieser Mensch sich absolut sicher gefühlt oder verfügte über Nerven wie Schiffstaue. Bemerkenswert. Die Spuren, die ein leichtsinniger Täter hinterließ, waren stets die ersten wichtigen Anhaltspunkte für die Ermittler. Die Tatsache, dass es an diesem Tatort nichts zu finden gab, war ein ebenso wichtiges Indiz.
    Im Innenhof wartete das Bestattungsunternehmen. Die Nachbarin, Frau Hagekamp, hing noch immer über der Fensterbank und telefonierte, zu erzählen hatte sie heute sicher mehr als genug. Ein Reporter sprang auf Wencke zu, ließ sich auch durch ihr Kopfschütteln nicht abwimmeln, bis kurz nach ihr ein Polizist die Kellertreppe hinaufkam. Die Uniform war wesentlich fotogener und der Journalist verlor glücklicherweise das Interesse an der kleinen Wencke in abgewetzter Jeansjacke.
    Den leichenblassen Wasmuth im Skoda beachtete niemand. Wencke öffnete die Beifahrertür und setzte sich neben ihn. Er hatte das Radio angemacht und hörte klassische Musik.
    »Geht es?«
    Er nickte wenig überzeugend. »Haben   …« Ein Räuspern,der Mann war am Ende. »Hat man schon etwas herausgefunden?«
    »Die Experten sind dabei. Viel habe ich nicht mitbekommen. Sie wissen ja, dass ich keine Polizistin im eigentlichen Sinne bin.«
    »Aber Sie haben früher bei der Kripo gearbeitet, oder?« Er blickte sie von der Seite an, seine Augen waren rot. »Ich meine, ich habe es ja selbst gesehen. Fast nackt war sie. Und der Mörder hat Arme und Beine gefesselt. Aber ihr Gesicht   … und die Zunge   …«
    Das Bild, das sich ihnen im Schlafzimmer geboten hatte, war furchtbar gewesen. Selbst für Wencke. An den Anblick eines Menschen, der ganz offensichtlich eines gewaltsamen Todes gestorben war, gewöhnte man sich nie. Zudem war es ein beachtlicher Unterschied, ob man als Kriminalkommissarin zu einem Leichenfund gerufen wurde, oder ob man verabredet war, jemanden zu treffen und mit ihm zu reden, und dieser Jemand lag dann erwürgt in seinem Bett.
    »Jetzt haben sie Shirin doch noch gekriegt.« Er schlug mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett. »Nach all der Zeit, verdammt noch mal. Und ich hätte es verhindern können. Wären wir ein bisschen eher gekommen, dann   …«
    »Dann hätten wir nichts geändert. Sie ist schon länger tot«, sagte Wencke. Dass Leichenstarre, Totenflecken und der bereits wahrnehmbare Verwesungsgeruch dies verraten hatten, verschwieg sie. Peer Wasmuth war kein belastbarer Mensch.
    »Was passiert denn jetzt?«
    »Ich habe in einer halben Stunde einen Termin in Seelze. Könnten Sie mich eventuell dort hinbringen?«
    Er nickte und seine Lippen formten ein »Na klar«.
    Wencke schaute auf die Uhr, es war fünf vor zwei. »Ich frage mich, wo die Kinder bleiben. Vielleicht könnten wir vorher noch bei den Schulen vorbei?«
    Er startete wortlos den Wagen, fuhr rückwärts vom Parkplatz. Die Videothek hatte sich gefüllt mit Männern und Frauen, die wild gestikulierten und immer wieder auf das eingeschlagene Kellerfenster starrten. Ob sie Shirin Talabani noch immer eine Hure nannten?
    Kaum bewegte der Wagen sich auf der Straße vorwärts, meldete sich Wenckes Handy.
    »Kosian hier. Habe eben gehört, was passiert ist.« Besonders betroffen klang die Stimme von Wenckes Vorgesetzter jedoch nicht, eher geschäftsmäßig. »Wo sind Sie?«
    »Ich fahre mit Herrn Wasmuth   …« Halt, dachte Wencke. Tilda Kosian wäre nicht begeistert, wenn sie mitbekam, wohin sie unterwegs waren. »…   Richtung Hannover. Zwischendurch werde ich etwas essen, in ungefähr neunzig Minuten bin ich da.«
    Ein kurzes Zögern. »Bitte melden Sie sich dann umgehend in meinem Büro.«
    Das hörte sich nicht gut an. »Worum geht es?«
    »Frau Tydmers, Sie sind jetzt seit zwei Wochen bei uns,

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