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Todesbraut

Titel: Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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denen sehr süß aussehendes Gebäck, etwas Obst und ein weißes Getränk aus Glaskaraffen angeboten wurden.
    »Wir haben knapp zweitausend Euro eingenommen an diesem Tag«, kommentierte Wasmuth die wackeligen Videobilder. Er hatte den Wagen bereits wieder auf die Straße gelenkt, fuhr im Schneckentempo und beugte sich fast über Wenckes Schoß, um mit dem Finger auf einen knalligen Farbklecks im Hintergrund zu tippen. »Sehen Sie die Frau im roten Kleid? Gleich geht die Kamera näher dran, dann erkennen Sie Shirin genauer.«
    Wencke hob das Handy. So hatte sie sich die Frau nicht vorgestellt. Aber was genau hatte sie erwartet? Eine verhuschte, verschleierte, eingeschüchterte Person im Tarnmantel? Nun, auf jeden Fall nicht so etwas: Shirin Talabani, die Frau, die von ihrem Bruder fast umgebracht worden war, platzierte einschneeweißes Lachen in die Linse des Aufnahmegeräts. Sie warf ihre dunklen Locken nach hinten, fuhr sich noch einmal mit der Hand durch das offene Haar, dann fassten ihre lackierten Fingernägel nach einem Pappbecher, führten ihn an die Lippen, und nachdem sie einen Schluck genommen hatte, leckte eine sinnliche Zunge den Milchbart ab. Anschließend hielt sie dem Kameramann das Getränk entgegen, mit einem auffordernden Lächeln, dass man sich kaum vorstellen konnte, es sei türkischer Joghurt in dem Becher gewesen. Das war ein Champagnerlächeln.
    »Erzählen Sie mir von ihr?«
    »Gern!«, antwortete Wasmuth, doch dann wartete er eine ganze Weile, als lutschte er auf den ersten Sätzen herum. Konnte es sein, dass dieser brave Deutschlehrer ein bisschen verknallt war? Wencke wagte einen Blick auf seine Hände, er trug keinen Ehering. Und er war der Typ Mann, der sich von einem offenen Lächeln gefangen nehmen ließ, der es wahrscheinlich persönlich nahm, auf sich bezog und mehr hineininterpretierte, als es tatsächlich bedeutete.
    Die Filmaufnahme lief weiter, zeigte Shirin von vorn, wie sie mit anderen Menschen sprach, Getränke verkaufte und ihren Charme dazu gratis verteilte. Shirin von der Seite, wenn sie Ayran aus Tetrapacks in die Glaskaraffen füllte und mit einer Papierserviette die danebengegangenen weißen Tropfen aufwischte. Shirin von hinten, als sie mit einem kleinen Jungen sprach, wahrscheinlich ihr Sohn Azad. Dann blieb das Bild stehen.
    Dafür machte Wasmuth weiter. »Shirin ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, genau wie ihre beiden jüngeren Geschwister. Die Familie Mêrdîn stammt ursprünglich aus Diyarbakir, einer Provinz in Südostanatolien.«
    »Die Hochburg der Kurden, soweit ich weiß   …«
    »Zumindest ist es der Teil der Türkei, wo überwiegendKurdisch gesprochen und die kurdische Kultur gepflegt wird. Das ist nicht im ganzen Land möglich, die Unterdrückung der ethnischen Minderheiten dort ist allgegenwärtig. Erst vor ein paar Jahren standen einige minderjährige Mitglieder eines Kinderchors in Diyarbakir vor Gericht, weil sie bei einem US A-Aufenthalt kurdische Freiheitslieder gesungen hatten. Die Türken scheuen sich nicht, einen uralten Volksstamm mit allem, was dazugehört, zu assimilieren. Eine Schande ist das!«
    »Aber Sie unterrichten doch auch türkische Frauen, oder nicht?«
    Wasmuth schaute sie an, als verdächtige sie ihn, mit dem Teufel persönlich im Bunde zu stehen. »Ich spreche zwar auch fließend türkisch, aber nur, weil mir so der Unterricht erleichtert wird, denn die meisten Kurden wurden ja gezwungen, türkisch zu reden. Mein Augenmerk ist aber auf die kurdischen Frauen gelegt.« Die Zweideutigkeit seiner Aussage schien ihm nicht aufzufallen, und Wencke beschloss, sich ihr Grinsen besser zu verkneifen.
    »Werden Kurdinnen denn stärker unterdrückt als Türkinnen?«
    Er wiegte den Kopf. »Kurden sind meist sunnitischen Glaubens, und diese Moslems leben sehr traditionell. Shirin wurde schon als Mädchen dazu angehalten, im Haushalt zu helfen und sich um die jüngere Schwester und den kleinen Bruder zu kümmern, insbesondere, weil ihre Mutter früh verstorben ist. Trotzdem hat sie in der Schule gute Leistungen gebracht und nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau angefangen.«
    »Nur angefangen?«
    »Leider ja. Der Vater war davon wenig begeistert. Die Familie nutzte den Einfluss auf das minderjährige Kind, solange es noch ging. Mit siebzehn brach sie die Lehre ab und heiratete in der Türkei einen ihr völlig unbekannten Mann. Zwangsheirat,soweit ich weiß. Moah Talabani, acht Jahre älter als sie. Er

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