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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Paragrafenförmelei nun nicht auch noch begriffsstutzig erscheinen, und sie machten sich noch am Abend auf den Weg in die Adlerstraße.
     
    »Sie erinnern sich bestimmt an uns«, eröffnete Marie, als Herr Theodoridis die Tür öffnete, und jeder Frage zuvorkommend, erklärte sie:
    »Sie haben sich auf den Artikel in der örtlichen Presse hin ja bereits bei Sebastians Bruder gemeldet und von uns berichtet«, meinte sie.
    »Gregor konnte nicht wissen, dass es sich um uns handelt. Wir haben heute mit ihm telefoniert, der, wie Sie wissen, in Hessen wohnt. Sebastian hat nicht viel Kontakt zu seinem Bruder. Wir waren von den Zeitungsartikeln natürlich überrascht. Sebastian hatte uns erst vor knapp zwei Wochen angerufen und uns gebeten, ihm für die geplante Feier die Gläser zu leihen und vorbeizubringen. Deshalb wundert es uns natürlich, dass Gregor seinen Bruder vermisst, obwohl er hier doch lebt. Können Sie sich das erklären?«
    Herr Theodoridis versuchte sichtlich die Informationen zu ordnen, die Marie in einem Redeschwall über ihn ergossen hatte, wusste weder mit den Zeitungsartikeln etwas anzufangen noch mit den beiden Personen, die zum zweiten Mal unvermittelt vor ihm standen und aufdringlich wirken mussten. Marie sah dem Griechen forschend in die dunklen Augen. Knobel, mit Anzug und Krawatte bekleidet, blieb abwartend im Hintergrund.
    »Hat uns denn ein Geist den Auftrag erteilt, hier Gläser hinzubringen?«, fragte sie und schüttelte verständnislos den Kopf. »Wir machen uns natürlich Sorgen! Gesehen haben wir Sebastian auch schon lange nicht mehr. Aber das ist nichts Besonderes! Er ist sehr verschlossen. Deshalb sind wir selbst ganz überrascht, dass er nun für seine Freunde eine Feier geben will.«
    »Feier, ja, das ist komisch«, sagte der Grieche.
    »Ich weiß, eine Feier hat es in dieser Wohnung noch nicht gegeben«, tastete sich Marie vor und lag mit ihrer Vermutung richtig, denn der Grieche schüttelte den Kopf.
    »Ihnen liegt doch auch etwas an Sebastian! Auch wenn Sie nur sein Nachbar sind! Sonst hätten Sie gewiss nicht so schnell bei seinem Bruder angerufen! Wir müssen noch mal in die Wohnung, bitte!«
    In Maries Betteln schwang glaubhafte Verzweiflung mit. Der Grieche konnte nicht ablehnen.
    »Sie kommen natürlich mit!«, zerstreute sie letzte Bedenken. »Es ist für Sebastian, bitte!«
    Herr Theodoridis holte aus seiner Wohnung den Schlüssel zur Nachbarwohnung, schloss Sebastians Wohnung auf und machte in allen Zimmern Licht an.
    »Es ist hier so wie immer«, sagte er.
    »Wie lange gießen Sie denn schon die Blumen?«, wollte Marie wissen.
    »Seit vielen Monaten. Sebastian hat mich selbst darum gebeten. Er hatte eines Abends bei mir geschellt und gesagt, er würde jetzt für längere Zeit weg sein. Wie lange, wusste er nicht. Vielleicht Wochen, vielleicht länger.«
    »Hat er gesagt, warum er weggeht und wohin?«
    »Nein. Ich habe auch nicht gefragt. Sebastian hat unentwegt geredet. Er war richtig aufgekratzt. Ich hatte bis dahin ohnehin nur wenige Worte mit ihm gewechselt. Wir waren Nachbarn und hatten kaum Kontakt zueinander. Sebastian Pakulla kannte auch niemanden im Haus und wollte niemanden kennenlernen! Er war lediglich vor zwei Jahren bei mir auf einer Geburtstagsfeier, zu der ich auch alle Nachbarn eingeladen hatte. Seitdem duzen wir uns.«
    »Waren Sie überrascht, als er damals auf Sie zuging?«
    »Nicht wegen des Blumengießens. Das ist das, was man unter Nachbarn so macht. Aber Sebastians vieles Reden. Er war«, Herr Theodoridis suchte nach den passenden Worten, »er war voll Freude, das kann man sagen. Dann ist er mit mir durch die Wohnung gegangen und hat mir gezeigt, wie jede Pflanze zu gießen ist. Und natürlich sollte ich den Briefkasten leeren und mal lüften. Was man so macht, wenn jemand weg ist.«
    »Wann war das Gespräch – ungefähr?«, wollte Marie wissen.
    »Ich würde sagen, letztes Jahr, Ende September. Ich erinnere mich, dass der Tag der Deutschen Einheit bevorstand und wir kurz darauf zu sprechen kamen. Unser Vermieter wollte an dem Feiertag irgendwelche Reparaturen durchführen lassen und keiner wollte an diesem Tag seine Schwarzarbeiter im Haus haben. Sebastian sagte, dass es ihm egal sei, er feiere einen ganz besonderen Tag der Einheit.«
    »Und Sie haben nicht nachgefragt?«, fragte Marie ungläubig.
    »Sie müssen sich vorstellen: Der Nachbar, mit dem Sie sonst nie Kontakt haben, kommt herüber, holt Sie in seine Wohnung und redet und redet und

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