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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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hat. Dieses Paar, das Gläser in seine Wohnung gestellt hat … – Diese Geschichte ist doch krumm.«
    »Hat er eine Freundin?«
    Gregor Pakulla lachte auf.
    »Wie soll das gehen, wenn man sich ausschließlich in die Malerei vergräbt und nur mit Farben und Pinseln lebt? Soweit ich weiß, ist er nicht einmal bei der Präsentation seiner Bilder auf Ausstellungen länger anwesend geblieben. Es war ihm langweilig, mit Menschen zu sprechen, die sich für seine Bilder interessieren. Die fragten nämlich nicht nach seinen Gefühlen, als er die Bilder malte, sondern lobten: was für ein leuchtendes Gelb, was für ein kräftiges Rot, welch schöne Farben! Und so weiter.«
    »Ihre Tante Esther mochte ihn sehr«, wandte Knobel ein.
    »Ich habe nicht gesagt, dass er ein schlechter Mensch ist. – Nochmals: Er ist nur nicht mein Fall.«
    »Sie haben mich in einem Punkt belogen!«, hielt ihm Knobel unvermittelt vor.
    »Wie immer von vornherein negativ eingestellt«, konterte Pakulla. »Nun sagen Sie schon: Welches Ihrer Missverständnisse darf ich jetzt aufklären?«
    »Das Foto!«, sagte Knobel knapp.
    »Welches Foto?«
    »Das Foto Ihres Bruders Sebastian, das Sie an die Zeitungen weitergegeben haben. Sie hatten mir zu Beginn des Mandats ein Foto vom Schulabschluss Ihres Bruders gegeben und gesagt, Sie hätten kein neueres. Offensichtlich stimmte das nicht. Das Foto in der Zeitung ist eindeutig ein aktuelleres Bild.«
    »Ach ja, das Foto. Sie überbewerten das. Als ich mich entschloss, an die Presse zu gehen, habe ich noch einmal alles bei mir durchgesehen. Das Abiturfoto hatte ich Ihnen ja gegeben. Ich konnte also der Zeitung nicht das Foto geben, was mir aus meiner Erinnerung heraus als letztes Foto von Sebastian präsent war. Also habe ich meine Sachen durchforstet und dabei dieses Bild gefunden. Ich glaube, er hatte es mir von ein paar Jahren einmal mit einem Galerieprospekt geschickt. Es ist keine neue Aufnahme.«
    »Aber ich schätze, Sebastian sieht heute noch so aus«, vermutete Knobel. »Er hat tatsächlich Ähnlichkeit mit Ihnen.«
    »Kunststück, Herr Knobel! Er ist mein Bruder. Aber so wie ich aussehe und wie Sebastian zumindest damals aussah, ist wenig individuell: Extremer Kurzhaarschnitt, glatt rasiert, und wir haben beide eine ähnliche Gesichtsform. So sehen viele aus. Ich könnte ketzerisch sagen: Das alleine macht uns ähnlich, aber nicht zu Brüdern.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo das Bild aufgenommen worden sein könnte?«
    »Irgendwo im Süden, vermute ich«, sagte Pakulla. »Italien vielleicht.«
    »Oder Mallorca?«
    »Wieso Mallorca?«
    »Es gibt Hinweise, dass er sich dort aufgehalten hat«, erwiderte Knobel.
    »Ach, Herr Knobel!« Gregor Pakulla seufzte wieder. »Das sind die Informationen, die ich von Ihnen erhalten möchte! Und Sie streuen sie in unser Gespräch, lauern auf meine Reaktionen, als würden Sie mich verhören. Vielleicht muss ich mich doch fragen, ob es richtig war, Sie zu beauftragen! Wenn Sie Hinweise haben, dass das Foto auf Mallorca aufgenommen worden ist, dann verwerten Sie doch bitte die Hinweise! Ich assoziiere die Zypressen im Hintergrund spontan mit Italien. Vielleicht die Toskana. Aber es ist eben nur ein Gefühl, spontan von mir zum Ausdruck gebracht. Nicht objektiv begründet und auch nicht objektiv begründbar.«
    Pakullas Stimme klang ungeduldiger.
    »Verdammt, Herr Knobel, wir reden von ein bisschen sichtbarem Bildhintergrund auf einem kleinen Foto, auf dem ganz wesentlich nur das Gesicht meines Bruders zu sehen ist! Nichts weiter! Vielleicht steht er auch nur vor einer Fototapete. Das zu beantworten ist Ihre Aufgabe, für die ich Sie bezahle, Herr Knobel! – 21.200 Euro bis jetzt! Eine Arbeit, die ich reichlich bevorschusst habe! Darf ich jetzt nach Ihren Erfolgen fragen, außer dem von mir parallel gewonnenen Ergebnis, dass Sebastian in der Adlerstraße wohnt? Sollten Sie mir nicht dankbar sein, dass ich selbständig eine weitere Informationsquelle nutze, deren Ergebnis ich Ihnen zur Verfügung stelle? Ich darf ergänzen: Ohne Honorar zurückzufordern?«
    »Ich werde Ihre Informationen verarbeiten«, versprach Knobel und beendete das Gespräch, weil er merkte, seinem Mandanten nicht gewachsen zu sein.
     
    Gregor Pakulla hatte auf alle Fragen schlüssig geantwortet und Zweifel zerstreut.
    Scheinbare Ungereimtheiten wie das in der Zeitung veröffentlichte Foto waren auf einmal bedeutungslos. Die menschliche Distanz zwischen den Brüdern mochte ganz normal sein und entzog

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