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Todeserklärung

Todeserklärung

Titel: Todeserklärung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Knobel zu übernehmen, um unter dem schützenden Mantel gespielter Solidarität tieferen Einblick in Knobels Arbeitsstil zu gewinnen. Löffke sammelte immer und überall Informationen, und Knobel vermutete, dass sich Löffke hin und wieder abends in sein Büro stahl und in seinen Akten blätterte. Nachdem Knobel erstmals diesen Verdacht gehegt hatte, gewöhnte er sich an, sich die genaue Lage einzelner Akten auf seinem Schreibtisch einzuprägen, wenn er sich sicher war, dass außer ihm und Löffke niemand mehr im Hause war. Am nächsten Morgen lagen die Akten zwar immer noch in der eingeprägten Reihenfolge, aber ihre Position hatte sich geringfügig verändert. Eines Tages hatte Knobel Löffke mit der beiläufigen Bemerkung gelockt, dass er eine umsatzträchtige Akte nicht richtig zu bearbeiten wisse und bereits fürchte, einen folgenschweren Fehler gemacht zu haben. Löffke hatte beiläufig und gönnerhaft geantwortet, dass in einer Sozietät auch jeder mal Fehler mache und nach zeitraubendem Abschweifen in andere Themen die erwartete Frage nicht unterdrücken können, wie denn die Akte heiße. Knobel hatte ihren Namen genannt, dabei gekonnt einen Tonfall angeschlagen, als gebe er beichtend ein Geheimnis preis und sich dann bedrückt mit den Worten verabschiedet, dass er alles zu Hause noch mal überdenken wolle.
    Morgen ist auch noch ein Tag , hatte er belanglos geredet und sich für Löffkes aufmunterndes Wird alles schon werden bedankt. Am nächsten Morgen lag die Akte exakt an ihrem vorherigen Platz, doch das Haar, das Knobel sorgsam zwischen Seite 20 und 21 gelegt hatte, war verschwunden. Löffke hatte ohne Zweifel in der Akte geblättert. Aber was half ihm dieser Beweis, der nur die Richtigkeit seiner Vermutung bestätigte? Er würde seinen Beweis nicht gegen Löffke verwenden können. Dr. Hübenthal wäre entsetzt darüber, dass Knobel eine Akte als Köder ausgelegt hatte. – Und Löffke? Er würde sich zutiefst betroffen darüber zeigen, dass Knobel seine Hilfsbereitschaft missdeute, sich in eine Akte, mit der Knobel nicht zurechtkomme, einarbeiten zu wollen. Etwaige Zweifel hätte Löffke am nächsten Tag mit einer Schlachtplatte erstickt.
    Am meisten beschäftigte Knobel, dass Hubert Löffke so sehr in sein Leben eingedrungen war, dass sich seine Gedanken nicht von dieser Gestalt befreien konnten, nicht einmal an einem Tag wie heute, auf dem Lisas Worte lasteten. Jetzt, auf der Rückfahrt von der Kanzlei in ihr schönes Haus in der Dahmsfeldstraße, dachte Knobel an Löffke und nicht an die anstehende Trennung von seiner Frau.
     
    Als er nach Hause kam, spielte Lisa mit der kleinen Malin im Kinderzimmer. Sie nahm das Kind auf den Arm und blickte ihn fragend an.
    »Ärger mit der Fleischwurst«, erklärte er und entledigte sich seiner Krawatte.
    Warum knüpfte er nicht an das morgendliche Gespräch an, bekannte sich nicht dazu, dass jetzt nichts so wichtig sei wie ein Gespräch über ihre in Scherben zerbrochene Beziehung? Wie unpassend war in diesem Moment der Begriff Fleischwurst , von beiden als lästerliche Bezeichnung für Löffke gewählt, als sie sich, noch vor Lisas Schwangerschaft, einen schönen Abend gemacht, Wein getrunken, sich so gut wie selten unterhalten und anschließend miteinander geschlafen hatten.
    Ein Abend, an dem der eine Gedanke den anderen gebar, ein Wort das andere gab und sie sich schließlich still streichelten, einander fühlten. Der bis dahin gewucherte Zweifel war mit einem Mal wie weggeblasen, eine verloren geglaubte Realität schien wieder eine Chance in ihrem Leben zu bekommen. Aus diesem Glück heraus waren Zukunftsideen geboren worden, bunte Mosaiken, die sich an diesem Abend zu einem Ganzen fügten, das nach einem Morgen gierte, als werde es immer so weitergehen. Ein Abend, an dem Glück und Zufriedenheit überliefen und die vage Hoffnung keimte, dass dieses Glück in ihre Zukunft führe.
    »Löffke ist ein gefährlicher Gegner«, antwortete sie.
    Ihre Antwort befreite ihn. Sie ließ sich darauf ein, diesen Montag wieder zum Alltag werden zu lassen. Knobel spürte, dass er mit Lisa jetzt auch über den neuen Mandanten Pakulla hätte reden können, und sie hätte sich nach den Einzelheiten des Falles erkundigt, wie immer, wenn er ihr das Nachfragen nahe legte. Wie oft schon waren sie an kritische Stellen geraten, in denen sich ein Schweigen wie ein gähnender Abgrund auftat? Wie oft hatten sie in solchen Augenblicken über ihre Arbeit eine Brücke gefunden, die sie

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