Todesfee
erreicht hat.«
»Aber was war dieses Ziel?«, wollte Bruder Donngal wissen.
»Wäre es Durrow gewesen, dann wäre sie zur Abtei gekommen«, erklärte Laisran. »Das hat sie nicht gemacht.«
»Das stimmt allerdings. Dann kommen noch zwei Arten von Reiseziel in Frage: das Haus eines Edelmanns, eines Stammesfürsten oder vielleicht ein
bruighean
, ein Gasthaus. Ich denke, wir werden den Ort, wo sie ermordet wurde, im Umkreis von drei oder vier Meilen von der Abtei finden.«
»Wieso sagst du das?«
»Ein logischer Schluss. Stellt euch vor: Da sind eine gerade ermordete Person und ihr Mörder, der sie so schnell wie möglich loswerden will. Wer sie getötet hat, hat auch ihre Leiche umgezogen und sie an den Ort gebracht, wo sie gefunden wurde. Weite Strecken kann er nicht zurückgelegt haben.«
Abt Laisran rieb sich das Kinn.
»Wer es auch immer war, er ist ein großes Risiko eingegangen, als er die Leiche im Wald so nah bei der Abtei abgelegt hat.«
|28| »Vielleicht auch nicht. Wenn ich mich recht erinnere, sind die Wälder hier so dicht wie sonst nirgends in der Gegend, trotz ihrer Nähe zur Abtei. Ist das Waldstück viel besucht?«
Der Abt zuckte die Achseln.
»Es stimmt, Bruder Torcan wagt sich beim Pilzesuchen kaum je so weit vor«, gab er zu. »Er ist rein zufällig auf den Leichnam gestoßen.«
»Also barg die Nähe zur Abtei für unseren Mörder nicht unbedingt eine Gefahr. Gibt es in der von mir geschätzten Entfernung die beschriebenen Reiseziele?«
»Du meinst das Haus eines Stammesfürsten oder einen Gasthof? Nördlich von hier liegt Ballcolla; da gibt es ein Gasthaus. Südlich wäre dann Ballyconra, wo der Lord von Conra lebt.«
»Wer ist das? Beschreibe ihn mir.«
»Ein junger Mann; gerade eben erst hat er sein Amt hier angetreten. Ich weiß nicht viel über ihn, obwohl er herkam, um mir seinen Respekt zu zollen, als er die Nachfolge seines Vaters antrat. In meiner ersten Zeit als Abt von Durrow war der Vater des jungen Mannes Lord von Ballyconra, und sein Sohn war abwesend, weil er im Heer des Hochkönigs diente. Er ist Junggeselle und gerade erst aus den Kriegen gegen die Uí Néill zurückgekehrt.«
»Wir müssen mehr in Erfahrung bringen«, meinte Fidelma trocken. Sie blickte aus dem Fenster auf den wolkenverhangenen Himmel.
»Es ist noch eine Stunde bis Sonnenuntergang«, überlegte sie laut. »Sorge dafür, dass Bruder Torcan am Tor auf mich wartet, damit er mich zu der Stelle führen kann, wo er den Leichnam gefunden hat.«
»Wozu soll das denn gut sein?«, fragte der Abt. »Auf der Lichtung war nichts, nur die Leiche.«
Fidelma antwortete nicht.
|29| Mit einem tiefen Seufzer machte sich der Abt auf die Suche nach dem Klosterbruder.
Eine halbe Stunde später zeigte Bruder Torcan Fidelma die kleine Lichtung. Hinter den beiden wartete Abt Laisran voller Ungeduld. Fidelma besah sich den Pfad, der zur Lichtung führte. Er war gerade breit genug für einen kleinen Karren. Sie bemerkte auch gleich ein paar Hufabdrücke und Rillen, die zweifellos von einem Pferdewagen stammten.
»Wohin führt dieser Weg?«, fragte sie, denn sie hatten die Lichtung auf einem anderen Pfad erreicht.
Der Abt antwortete: »Nach einer Weile mündet er in die Hauptstraße nach Süden. In Richtung Ballyconra«, fügte er bedeutungsvoll hinzu.
Inzwischen wurde der Himmel dunkler. Fidelma seufzte.
»Morgen früh würde ich gern den jungen Lord von Conra besuchen. Heute Abend hat es keinen Zweck mehr. Wir gehen jetzt besser in die Abtei zurück.«
Am nächsten Morgen ritt Fidelma in Begleitung des Abtes nach Süden. Ballycorna war eine recht große Ansiedlung; es bestand aus einer Reihe von Gehöften und einigen Häusern für die Landarbeiter. Auf einem Feld in der Nähe wurden Rüben geerntet. Die Arbeiter luden die Rüben auf kleine Eselskarren. Der Weg schlängelte sich durch das Dorf und führte dann an einem Bach entlang, wo Frauen an den Ufern gerade die Wäsche zum Trocknen auslegten. Einige andere rührten in einem Metallkessel, der über einem Feuer hing. Fidelma sah, dass sich Stoff darin befand, und schloss aus dem stechenden Geruch, dass hier gefärbt wurde.
Als sie vorüberritten, unterbrachen manche Leute kurz ihre Arbeit und riefen dem Abt einen Gruß zu oder baten um seinen Segen. Nun folgten die beiden dem Pfad weiter den Hügel hinauf, durch ein weiteres Feld und auf ein großes Gebäude zu. |30| Es lag abseits des Ortes und war da errichtet worden, wo früher eine Hügelfestung gestanden
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