Todesfracht im Jaguar
Mailand?“
„Wir haben nur einen Ricardo,
der für uns arbeitet. Ricardo Scattamoni, genannt der Blinzler, weil ihm die
Augen so zucken. Er ist ständig in Mailand. In Italien“, fügte er hinzu. Denn
möglicherweise gab’s noch ein zweites Mailand. In den USA, vielleicht. Dessen
war er sich nicht sicher.
„Er soll sich was einfallen
lassen“, sagte Dieter. „Die Sache mit dem Zirkus können wir nicht wiederholen.
Weil zur Zeit kein zweiter Zirkus zwischen dort und hier unterwegs ist, meines
Wissens. Außerdem brauchten wir einen Typ wie Caldo Forliamente — einen Typ,
der mitmacht.“
Oswald besuckelte seine Zigarre
von beiden Seiten, zündete das richtige Ende an und paffte, bis sie
zufriedenstellend brannte.
Dann griff er zum Telefon.
Die Fernleitung war trotz
Urlaubszeit nicht überlastet.
Der Anruf drang durch. Ricardo,
der Blinzler, meldete sich. Auf italienisch bellte er in den Hörer.
Für Oswalds Ohren war das nur
Lärm. Außer ,Buenos dias, señorb (Guten Tag, Herr...) spreche er kein Wort
Italienisch, pflegte er zu sagen — wobei er offen ließ, ob er scherzte oder
bescheuert war. Denn ,Buenos dias, señor! 1 — ist spanisch. „Ricardo,
du Spaghettifresser!“ brüllte er. „Hallo!“
Der Blinzler schaltete sofort
um. Er sprach deutsch. „Browski?“
„Wer sonst?“
„Alles klar?“
„Nichts ist klar. Große
Pleite.“
„Wieso? Der Stoff ist
allererste Sahne.“
„Das meine ich nicht. Die
Bullen haben ihn abgefangen.“ Ricardo stieß einen ellenlangen Fluch aus, einen
italienischen. Dann verlangte er Einzelheiten.
Nachdem er damit gesättigt war,
entstand für einen Moment Fernleitung-Stille. Der Alpenwind — oder was auch
immer — knisterte in der Leitung.
„Ich brauche Nachschub“, sagte
Oswald. „Hast du noch was?“
„Soviel du willst.“
„Zwei Kilo genügen.“
„Gemacht. Aber ich habe keinen
Kurier. Zur Zeit sind die Bullen an der Grenze rasiermesserscharf. Die passen
auf. Nichts gönnen sie den Fixern. Es ist zum Verzweifeln.“
„Ich brauche den Stoff. Am
besten bis gestern.“
„Laß mich überlegen.“
Dann wird’s ein teures
Ferngespräch, dachte Oswald — irrte sich aber.
Ricardo jaulte auf, als hätte
er Starkstrom berührt.
„Ich hab’s. Was für ein Glück,
daß ich englische Autos so liebe. Nur weil ich den Jaguar sah, einen
Zwölfzylinder, bin ich auf die Leute aufmerksam geworden. Sie wohnen im
Grand-Hotel. Einige der Kellner dort stehen ja auf meiner Schmiergeldliste. Die
Jaguar-Leute sind — du glaubst es nicht, Browski — sind aus deiner Stadt.
Vielleicht deine Nachbarn, hähähä. Nette, harmlose Zeitgenossen. Von Alberto,
dem Zimmerkellner, weiß ich, wie sie heißen. Und daß sie bald abreisen —
zurückreisen werden. Sie heißen — äh, Bitterlich. Nein! Es war was mit
Zitrone.“
„Mit Zitrone?“
„Ja. Süßlich — heißen sie.“
„Das ist was mit Zucker.“
„Jetzt fällt es mir ein,
Browski. Bin ich doch der deutschen Sprache nicht so mächtig wie du. Sauerlich
— so benennen sich die Leute. Ein Ehepaar. Kein junges — aber auch kein altes,
denn sie streiten sich, wie Alberto weiß, nicht übermäßig viel, obwohl der
Zündstoff im — wie sagt man? — im Wind liegt.“
„In der Luft liegt, heißt es.
Welcher Zündstoff?“
„Sie speist nur Kräuter. Er
liebt Parma-Schinken und Knoblauchwürste.“
Oswald drehte den Hörer etwas
vom Ohr weg. Sein Sohn stand dicht neben ihm und bemühte sich, mitzuhören.
„Die willst du also benutzen“,
hielt Oswald fest. „Wäre überaus günstig für uns. Aber diesmal muß es klappen.“
Ricardo grunzte. „Denen gebe ich das Heroin mit. Es wird sicher bei dir
ankommen. A presto (Auf bald!), Browski!“
5. Klößchen sieht Gespenster
In der tollen Sauerlich-Villa
an der Eichen-Allee lief der Betrieb zur Zeit auf Sparflamme.
Georg, der Chauffeur, hatte
Urlaub. Die Putzfrau auch. Nur Amalie, die dicke Köchin, hütete das Haus, in
dem sie nun so viele Jahre schon wohnte.
Beim Backen der Torte hätte sie
Gaby gern geholfen. Aber die bestand darauf, es allein — und alle Fehler selbst
zu machen. Also überließ Amalie ihr Küche und Backofen.
Tim, Karl und Klößchen hatten
ein bißchen in der hauseigenen Schwimmhalle geplantscht, dann die Räumlichkeiten
durchstöbert und einen roten Sisalläufer aufgetrieben.
Als roten Teppich wollten sie
den über die Eingangsstufen rollen, rechtzeitig bevor die Eltern Sauerlich
eintrafen. Außerdem arbeiteten die
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