Todesfracht im Jaguar
Münzen hin.
Der Typ begann, in einem Kasten
zu wühlen.
„Ah, hier sind sie.“
Er reichte ihm die Karten
durchs Fenster. Sie waren mit einer Büroklammer aneinander gesteckt.
Tim dankte und peste zum
Zelteingang, wo seine Freunde beim Imbißstand warteten. Die vier Tretmühlen
waren in Sichtweite geparkt — und aneinander gekettet.
Mindestens die ersten zwei
Nummern, dachte Tim, haben wir verpaßt. Bockmist! Aber es gibt Schlimmeres.
Vor dem Zelteingang stand ein
Zirkusdiener in knallroter Livree (uniformartige Dienerkleidung ). Er
hatte einen afrikanischen Kopf und bohrte in den Zähnen herum. Tim hätte nicht
darauf gewettet, daß der Kartenabreißer lesen und schreiben konnte. Aber mit
dem Zählen hatte er keine Probleme.
Als Tim die Büroklammer
abstreifte und ihm drei Karten hinhielt, erfaßte er sofort, daß da eine zu
wenig war.
Drei Karten nur — doch vier
Jugendliche begehrten Einlaß.
„Eine fehlt“, stellte Klößchen
fest.
„Dieser rothaarige
Einfaltspinsel!“ schimpfte Tim. „Nimmt mir die acht Mark ab — und bleibt eine
Karte schuldig.“
„Oder hast du sie verloren?“
fragte Karl.
„Unmöglich! Moment!“
Er machte kehrt. Über den
geschotterten Boden rannte er zurück.
Er hörte noch, wie Gaby dem
Zirkusdiener den Irrtum erklärte. Dann näherte er sich dem Kassenwagen. Dort
brannte Licht. Aber das Fenster war geschlossen.
Er klopfte an die Scheibe.
Nichts rührte sich.
„Hallo! Hier muß noch eine
Karte von uns sein. Sie haben mir nur drei gegeben.“
Der Typ zeigte sich nicht.
Tim drückte das Gesicht an die
Scheibe und versuchte, hinein zu spähen. Nur den linken, den kürzeren Teil des
Kassenwagens konnte er überblicken.
Dort war auch die Tür. Und die
— zum Teufel! — die stand halb offen.
Tim sprang um die Ecke.
„Hallo! Wo sind Sie?“
Dann stand er an der Tür und
blickte hinein.
Der Anblick lähmte ihn — aber
nur für einen Moment. Im nächsten kniete er neben der blonden Frau. Sie lag auf
dem Rücken. Ihre Lider zuckten. Sie begann, sich zu regen. Offensichtlich
kehrte das Bewußtsein zurück.
Tim begriff sofort. Überfall!
Der Tresor stand offen und war leer. Er fühlte nach dem Puls der Kassiererin.
Der schlug kräftig und ruhig.
Mit zwei Sprüngen war Tim im
Freien. Sein Blick schoß in die Dunkelheit. Nur Sekunden — und seine Augen
hatten sich daran gewöhnt. Weit konnte der Kerl noch nicht sein. Wo war er?
Hinten auf der Zubringerstraße
— unter der fünften oder sechsten Lichtpeitsche sah er einen Radfahrer. Über
den Lenker gebeugt, trat er aus Leibeskräften in die Pedale. Er flüchtete.
Stadtwärts.
„Herkommen!“ rief Tim seinen
Freunden zu. „Schnell! Beeilt euch! Tempo!“
Er lief ihnen entgegen.
„Die Kassiererin wurde
überfallen“, berichtete er. „Sie ist bewußtlos. Liegt im Kassenwagen. Gaby und
Willi — wenn ihr euch um sie kümmert. Erste Hilfe und so. Karl sucht den
Direktor. Vielleicht ist ein Arzt im Publikum. Ich presche mit dem Drahtesel
zur Stadt. Vielleicht hole ich den Täter ein.“
Er wirbelte herum und lief los.
„Hast du ihn gesehen?“ rief
Gaby hinter ihm her.
„Klar. Von ihm habe ich doch
die Karten.“
In Windeseile kettete er sein
Rennrad ab. Und machte sich an die Verfolgung.
*
Fast zur gleichen Zeit betraten
Hermann und Erna Sauerlich, Klößchens Eltern, im Mailänder Grand-Hotel den
sogenannten Blauen Salon, das elegantere der beiden Restaurants, über die das
Luxus-Hotel verfügt.
Hab ich einen Hunger! dachte
Hermann Sauerlich. Unauffällig klopfte er mit der linken Hand gegen seinen
stattlichen Bauch.
Am reservierten Tisch, der mit
viel Silber gedeckt war, rückte er seiner Erna den Stuhl zurecht.
Als Kavalier alter Schule
machte er das immer noch selbst — auch nach fast 20 Ehejahren.
Zwar waren Alberto und Emilio,
die Kellner, wie wild herbeigestürzt, um zu Diensten zu sein. Aber ihnen blieb
nur, Hermann den Stuhl in die Kniekehlen zu drücken.
Platsch! — da saß er also,
dachte an Parma-Schinken, Knoblauchwürste, gebackene Scampis, öliges Carpacchio (dünne, rohe Scheiben Rinderfleisch) und riesige Eisbecher.
Erna, die von Italiens Sonne
leicht gebräunt war, hatte Mailands Boutiquen geplündert und sich farbenfroh
zurechtgemacht. Perlenketten raschelten an ihrem etwas zu dünnen und etwas zu
langen Hals. Sie trug die kleinste Konfektionsgröße, denn Magerkeit war bei ihr
immer noch Trumpf.
„Heute sind wir aber ganz
solide, Hermann.“
Sie lächelte
Weitere Kostenlose Bücher