Todeskind: Thriller (German Edition)
zog eine Braue hoch. »Jane beschuldigt dich also einer Sache, die sie selbst getan hat?«
»Blanke Ironie, nicht wahr?« Daphne schüttelte den Kopf. »Das Datum der Party ist nicht uninteressant, denn neun Monate später kam Cole zur Welt.«
Um den Tisch herum klappten die Münder auf, nur Joseph war nicht überrascht, denn Daphne hatte das Tagebuch bereits gestern auf der Rückfahrt verschlungen und ihm die entsprechenden Passagen vorgelesen.
»Moment mal«, sagte J.D. verwirrt. »Also ist Cole, der Bursche, den ich gestern kennengelernt habe, Fords Halbbruder?«
»Ironie, nicht wahr?«, wiederholte Daphne. »Cole ist gestern noch in eine Pflegefamilie gebracht worden. Ich fahre nachher hin. Wenn er Travis’ Sohn ist, stellen sich einige Fragen in Bezug auf das Sorgerecht.«
J.D. schüttelte noch immer den Kopf, als er sein Handy aus der Tasche zog. Abrupt sprang er auf die Füße und grinste breit. »Muss los.«
»Ist es so weit?«, fragte Joseph lächelnd.
»Gott, hoffentlich.« Und schon rannte er unter allgemeinem Winken und vielen guten Wünschen hinaus.
»Bei diesem schönen Abschluss sollten wir es heute belassen«, sagte Joseph. »Ihr habt alle gute Arbeit geleistet. Wir sehen uns am Montag wieder und kümmern uns wie in einer ganz normalen Woche um die offenen Fälle.«
»Normal?«, fragte Daphne und lächelte. »Was ist denn eine normale Woche?«
»Wenn ich mal eine habe, sage ich dir sofort Bescheid.«
Freitag, 6. Dezember, 23.35 Uhr
Daphne lag mit angezogenen Beinen auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer und starrte auf den riesigen Weihnachtsbaum, der noch immer keinen Stern hatte, als Joseph endlich aus dem Büro kam. Er öffnete die Eingangstür mit dem Schlüssel, den sie ihm gegeben hatte, schloss wieder ab und schaltete den Alarm ein. Er war schon halb auf der Treppe, als er sie bemerkte.
»Ich dachte, du würdest schon schlafen«, flüsterte er und kam zu ihr. Er beugte sich vor, um sie zu küssen, nahm aber die Hände nicht aus den Taschen. »Verzeih mir, dass ich dich nicht anfasse, aber meine Hände sind eiskalt«, murmelte er.
»Setz dich. Ich hole dir einen Kaffee, an dem du sie dir wärmen kannst.«
Als sie mit zwei dampfenden Bechern zurückkam, saß er auf der Sofakante, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und blickte auf seine Füße.
»Du wirkst erschlagen«, sagte sie leise.
Er blickte lächelnd auf, doch seine Augen waren trostlos. »Es war ein langer Tag.«
»Ich bin auch erst vor wenigen Stunden nach Hause gekommen. Da ich jetzt kein Angriffsziel mehr bin, konnte ich wieder an meine Arbeit. Ich habe Stunden gebraucht, um mich durch die ganze Post zu ackern und die neuen Fälle durchzusehen.« Sie rutschte neben ihm aufs Sofa und reichte ihm einen Becher. »Hast du J.D.s SMS gesehen?«
Er lächelte. »Jep.«
Lucy hatte kurz nach sechs Uhr abends einen gesunden Jungen auf die Welt gebracht. »Er ist wunderschön.«
»Ja, ich weiß. Ich habe auch Fotos gekriegt. Wir können morgen mal vorbeischauen, okay?«
»Gern. Sie wollen das Kind Jeremiah nennen, nach dem Mann, der Lucy ein Ersatzvater gewesen ist. Wahrscheinlich wird der Rufname dann Jerry sein.«
»J.D. wird bestimmt ein toller Vater«, sagte Joseph, und sie betrachtete sein Profil. Etwas stimmte nicht mit ihm, aber sie wusste nicht, was.
»Hast du je über Kinder nachgedacht?«
Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Natürlich. Aber selbst wenn ich niemals selbst eins haben kann, muss ich nicht allzu traurig sein. Ich habe ziemlich viele Nichten und Neffen.«
Sie starrte auf den Baum, bis die Lichter verschwammen und sie blinzeln musste. »Immer wenn im Büro eine Frau schwanger wird, denke ich darüber nach, noch ein Kind zu bekommen. Ich weiß bloß nicht, ob es geht. Nach der Chemo, meine ich.«
Er drückte ihre Hand. »Wir haben Zeit, das auszuprobieren. Ich finde auch den Gedanken an eine Adoption nicht abwegig. Wir haben Zeit, Daphne.« Wieder warf er ihr einen Seitenblick zu. »Oder nicht?«
»Doch. Es ist nur …« Sie seufzte. »Ich habe mich heute mit Cole unterhalten.« Sie war zu ihm gegangen, während Joseph noch bei der Arbeit gewesen war.
»Und? Wie geht es ihm?«
»Er ist niedergeschmettert. Eingeschüchtert. Entschuldigt sich für seine Familie. Trauert um seine Brüder.«
»Wird es Probleme zwischen uns geben?«
»Du meinst, weil du Doug erschossen hast? Ich glaube nicht. Ich denke, er weiß, dass Doug keine Chance hatte. Er hat mir gestanden, dass er sich oft gewünscht hat, er
Weitere Kostenlose Bücher