Todesküste
Rettungsassistent
zurück.
Der Blonde nickte. »Ja, den großen.« Dann beugte er
sich über Steffen Meiners. »Können Sie mich hören?«
Er erhielt als Antwort nur ein Röcheln.
»Wir brauchen dringend den Notarzt«, sagte er zu
seinem Kollegen. »Dann geben wir Sauerstoff und eine Infusion, um das Volumen
aufzufüllen.«
»Was ist mit ihm?« fragte Dörte Meiners mit banger
Stimme.
»Hat Ihr Mann Vorerkrankungen?«, antwortete der
Rettungsassistent mit einer Gegenfrage.
Die Mutter schüttelte den Kopf. »Nein. Der ist gesund.
Was hat er?«
Der erfahrene Rettungsassistent vermied es, auch nur
einen Verdacht zu äußern. Routiniert versorgten die beiden Männer in den
orangefarbenen Jacken Steffen Meiners, der jetzt unter Sauerstoff ein wenig
ruhiger zu atmen schien.
Zeitgleich mit dem Notarzt erschien ein blau-silberner
Streifenwagen der Polizei. Einer der beiden Beamten nahm von Dörte Meiners die
Personalien auf, nachdem er sich kurz bei den Mitarbeitern des Rettungsdienstes
erkundigt hatte, wie es Meiners ging und ob sie sagen könnten, was vorgefallen
sei.
»Ich kann überhaupt nichts sagen«, erklärte der
Notarzt. »Es könnte aber ein Messerstich gewesen sein. Doch im Moment
interessiert mich nur die Versorgung des Opfers.«
Auch die Neugierigen in der Runde und Lars konnten auf
die Frage des Polizisten keine Antwort geben. Nur der ältere Grauhaarige
meldete sich zu Wort.
»Ich habe gesehen, wie er da«, dabei zeigte er auf
Steffen Meiners, der jetzt auf einer Trage lag, »mit einem kostümierten Mann
zusammengestoßen ist. Der sah aus wie ein … wie soll ich sagen? Wie ein
Gespenst. Der war toll geschminkt. Wie hießen die noch gleich im Mittelalter?
Die, bei denen Teile vom Gesicht und vom Körper abgefault sind?«
»Leprakranke«, half der Polizist nach.
»Richtig. So sah der Mann aus. Er hatte auch so eine
Art Sack umgebunden.«
Inzwischen hatte der Notarzt noch einmal die
Versorgung des Verletzten überprüft.
»Ihr habt alles richtig gemacht«, lobte er die beiden
Rettungsassistenten. »Jetzt aber mit Dampf ins Klinikum.«
»Ich komme mit«, sagte Dörte Meiners. »Und die Kinder
auch.«
»Das geht nicht«, erklärte ihr der blonde Sanitäter.
»Wir haben keinen Platz mehr im Wagen. Aber der Kollege im Notarztwagen nimmt
Sie mit. Wir fahren ins Heider Krankenhaus.« Dann trugen sie Steffen Meiners zu
ihrem Einsatzfahrzeug, das kurz darauf mit Blaulicht und Martinshorn zum
Westküstenklinikum davonfuhr.
Die Polizisten notierten sich die Personalien des
Grauhaarigen und nahmen die Personendaten der Mitarbeiter der umliegenden
Marktstände auf. Von den zahlreichen Neugierigen wollte hingegen niemand etwas
gesehen oder bemerkt haben.
*
Die Leute wichen freiwillig zur Seite, als der Trupp
von fünf Männern mit ausgreifenden Schritten durch das Gewühl auf dem Festplatz
schritt. Gleichsam als Speerspitze wurde die Gruppe von einem durchtrainiert
wirkenden Mann mittlerer Größe angeführt. Die wachen Augen, der gepflegte
Dreitagebart und die markanten Zügen verliehen ihm eine natürliche Autorität,
auch wenn er sich in der saloppen Kleidung nicht von den anderen Besuchern des
Marktfriedens unterschied.
Hauptkommissar Markus Schwälm gehörte zum K1 der
zuständigen Bezirkskriminalinspektion Itzehoe, die von der Heider Polizei
informiert worden war. Er war der Leiter der Mordkommission, wie das K1 im
Volksmund genannt wurde, obwohl die Aufgaben des Kommissariats weitaus
vielschichtiger waren.
Schwälm schmunzelte stets ein wenig, wenn er neben
Frauke Dobermann aus Flensburg, Thomas Vollmers aus Kiel und dem Lübecker
Kollegen als einer von vieren bezeichnet wurde. Viele Kollegen in der Landespolizei
wussten, dass sich mit Christoph Johannes und seinem Team aus Husum eine
inoffizielle weitere Mordkommission etabliert hatte, denn zum Leidwesen der
engagierten Flensburgerin ließen die Nordfriesen keine Gelegenheit aus,
entgegen aller formellen Zuständigkeiten bei Todesfällen, in denen
Fremdeinwirkung nicht ausgeschlossen war, selbst zu ermitteln. Doch Heide war
das Zentrum Dithmarschens. Und hier hatten die Nordfriesen nichts verloren. Die
Rivalität war nicht minder groß als zwischen Köln und Düsseldorf, und niemals
hätte ein Kölner behauptet, Düsseldorf sei für ihn die schönste Stadt der Welt.
Über die Köpfe der Menschen hinweg erkannte Schwälm
die Polizeimütze des uniformierten Kollegen und steuerte die Stelle an.
»Moin«, grüßte er. »Kripo Itzehoe.« Er gab
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