Todesläufer: Thriller (German Edition)
mitgenommen?«
»Dafür hat die Zeit nicht gereicht. Die CIA war schon unterwegs. Ich musste zusehen, dass ich rechtzeitig fortkam.«
»Na schön … danke, mein Bruder. Komm mit.«
Er führte ihn durch ein Gewirr von Gängen, Treppen und Fluren, das man in dem riesigen, rechteckigen Bau von außen nicht vermutet hätte. Schließlich erreichten sie einen kleinen im maurischen Stil bepflanzten und verzierten Innenhof, in dessen Mitte friedlich ein Springbrunnen plätscherte. Schmetterlinge flatterten durch die Luft. Dort warteten Erfrischungen und ein aus Honiggebäck und Datteln bestehender Imbiss auf sie.
»Ich hoffe, dein Meister nimmt uns dieses Scheitern nicht übermäßig übel …«, begann der staubbedeckte Fahrer unsicher.
»Du irrst dich. Er betrachtet das Unternehmen nicht als gescheitert. Er hat die Abläufe in Echtzeit verfolgt, und zu deiner Beruhigung kann ich dir sagen, dass er von der Wirkung außerordentlich angetan war.«
»Trotzdem haben wir nicht erreicht, was wir erhofft hatten.«
»Er hat Geduld. Wir haben Geduld. Lass dich daran erinnern, dass seine finanziellen Mittel praktisch unbegrenzt sind. Immerhin kontrolliert er ein Viertel des Erdölvorkommens in Saudi-Arabien.«
»Allah sei mit ihm.«
»Und mit dem iranischen Widerstand, mein Freund. Der Meister hat sich verpflichtet, euer Land von der Herrschaft Chameneis zu befreien und es euch zurückzugeben – und das wird er tun. Um jeden Preis.«
Der Preis? Die Kontrolle über die iranische Erdölförderung , ging es dem Fahrer unwillkürlich durch den Kopf. Aber bleibt uns denn eine Wahl …?
Sein Gastgeber fasste ihn mit verständnisinnigem Lächeln an der Schulter und forderte ihn auf, sich zu erheben.
»Komm, ich zeige dir etwas, das dich freuen wird. Du sollst sehen, dass wir nicht daran denken aufzugeben.«
Durch ein weiteres Labyrinth von Gängen kamen sie an eine unauffällige, schmale Tür. Eine Hand auf den Knauf gelegt, wandte sich der Mann, mit einem Mal sehr ernst, zu seinem Gast um und sagte: »Betrachte das als Werkstatt eurer Befreiung. Eine kleine Fabrik, aus der die Zukunft eures Volkes hervorgehen wird.« Es klang ziemlich hochtrabend.
»Und was ist das?«
»Sagen wir, dass wir im Hafen von Haifa mehr als einen Kontakt haben. Die Lagerräume von Med’Israel sind nach wie vor in unserer Hand. Aber sieh selbst …«
Mit diesen Worten öffnete er die unscheinbare Tür.
Dahinter erstreckte sich ein riesiger Saal. Unzählige Arbeiter hantierten konzentriert, über Werkbänke gebeugt, mit Präzisionswerkzeug. Alle trugen Mundschutz und Handschuhe. Der Besucher erkannte auf den ersten Blick, was sie in den Händen hielten: Hunderte von Herzschrittmachern des Typs Alano Life G+.
Einer nach dem anderen wurde geöffnet und mit einer Sprengladung samt Zündeinrichtung versehen, damit die lebensspendenden Taktgeber den Tod verbreiten konnten.
6. NOVEMBER – 22 UHR 00 – NEW YORK – KREUZUNG SEVENTH AVENUE UND 11. STRASSE
Statt ihres geblümten Sommerkleids trug Grace Jeans und einen dicken Pullover. Die Temperaturen waren für die Jahreszeit zwar durchaus noch angenehm, doch nach Einbruch der Dunkelheit wurde es empfindlich kühl.
Kaum hatte sie die Sixth Avenue überquert, als sie sich inmitten einer unglaublich dicht gedrängten Menschenmenge befand, die ihre Freude und Begeisterung mit lauten Rufen und Autohupen ausdrückten. Sie erinnerte sich noch lebhaft daran, wie sie an einem Tag Anfang November vier Jahre zuvor denselben Ort aufgesucht hatte. Damals war sie zwar erst vierzehn Jahre alt gewesen, doch ihr Vater hatte erlaubt, dass sie zum Times Square ging und dort auf den großen Leuchttafeln den Wahlausgang verfolgte, von dem alle Welt hoffte, dass er historisch sein würde. Er selbst hatte sie nicht begleiten können, weil er Dienst hatte.
Auf dem Rückweg war sie auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs an der 42. Straße Zeugin einer Szene geworden, die sich ihrem Gedächtnis tief eingeprägt hatte. Männer und Frauen aller Hautfarben und Gesellschaftsschichten, Einheimische wie Touristen, hatten zu den Gitarrenklängen eines Straßenmusikers getanzt. Sie waren vereint durch die Musik, verbunden in ihrer Hoffnung auf einen Wandel.
Inzwischen hatte sich gezeigt, dass nicht alles an diesem Traum Wirklichkeit geworden war. Stanley Cooper war kein Zauberer. Nach wie vor gab es viel Not und Elend im Land, nach wie vor waren zahlreiche Menschen gezwungen, ihre Häuser aufzugeben, weil sie die Hypothekenzinsen
Weitere Kostenlose Bücher