Todesläufer: Thriller (German Edition)
weit genug auszustrecken, um ihn Sam in die Ohrmuschel zu stecken.
»Hier Captain Pollack«, meldete er sich mit lauter Stimme, um über dem Motorgeräusch und Fahrtwind verstanden zu werden.
»Captain, wie weit sind Sie?«
»Bald da …«
Bei diesen Worten riss er den Lenker scharf nach rechts und bog entgegen der Fahrtrichtung auf den Broadway ein. Beinahe hätte Liz das Telefon fallen gelassen. Ein empörtes Hupkonzert quittierte Sams Manöver, doch er gab Gas, ohne sich darum zu kümmern.
»Und? Ist Ihnen etwas Geniales eingefallen, womit man unsere wandelnden Bomben aufhalten könnte?«
»Sagen Sie dem Stadionsprecher, er soll das Publikum ›Kommando Bimmele‹ spielen lassen«, brüllte Sam in Richtung Mikrofon.
Als er in die Seventh Avenue einbog, gelang es ihm mit einem blitzartigen Schlenker, im letzten Augenblick einem schwarzen Kleinlaster auszuweichen. Dann raste er auf der Busspur weiter.
»Wenn das ein Scherz sein soll …«
Ohne Rücksicht auf die Hierarchiestufen zwischen ihm und Douglas schrie er: »Machen Sie doch, was Sie wollen, verdammt noch mal! Die Leute explodieren, wenn sie stehen bleiben, und das wissen sie. Verstehen Sie? Sobald der Stadionsprecher die Zuschauer auffordert, sich starr wie ein Denkmal hinzustellen, sehen wir sofort die wenigen, die sich als Einzige weiter bewegen – und das sind die, die wir suchen.«
Ein Bus der Linie 20 tauchte fünfzig Meter vor der Ducati auf. Liz schloss die Augen, überzeugt, sie nie wieder öffnen zu können.
13 Uhr 01
Nach einer kurzen Pause, in der sich die beiden Mannschaften aufstellten, setzte die Musik wieder ein. Es war eine Mischung aus Rap, Rock und Countrymusik, die für jeden Geschmack etwas bereithielt. Der Stadionsprecher versuchte, das Publikum mit Unterstützung einer Gruppe Cheerleader in ihren farbenfrohen Uniformen in Stimmung zu bringen: »New York! New York! Jetzt mal ganz laut!«
Dann kam der von betäubenden Bässen begleitete und von Stroboskopbildern der Spieler auf den Großleinwänden untermalte Kriegsruf, der das Publikum verstummen ließ.
VOR … WÄRTS … KNICKS … VOR … WÄRTS … KNICKS … VOR … WÄRTS … KNICKS …
VORWÄRTS , KNICKS !
Kaum hatte das Spiel angefangen – es stand schon nach einer Spielminute 6 zu 2 für die Heimmannschaft –, als zwei Sicherheitsbeauftragte den Trainern etwas zuflüsterten, woraufhin diese umgehend eine Auszeit verlangten. So früh? Das war noch nie vorgekommen, und von den berstend vollen Rängen ertönte ein wütendes Pfeifkonzert.
»Meine Damen und Herren, der Madison Square Garden gibt sich die Ehre, Ihnen sein neues Gewinnspiel vorzustellen, etwas völlig Neues und noch nie Dagewesenes!«
Der Stadionsprecher bemühte sich, den Lärm der Unzufriedenen zu übertönen. Die Leute waren zwar daran gewöhnt, dass man ihnen allerlei Unterhaltung bot, Verlosungen und kleine Wettbewerbe, aber doch in der Pause und nicht nach den ersten sechzig Spielsekunden. Immerhin handelte es sich hier um Sport und nicht um irgendeinen Rummel!
»Sie können eine Dauerkarte für fünf Jahre gewinnen! Ja, Sie haben richtig gehört, fünf Jahre kostenlosen Eintritt in den Garden. Sie können die Knicks volle fünf Jahre sehen, und das umsonst – Erfrischungen inbegriffen! Die Sache ist ganz einfach: Stellen Sie sich starr wie ein Denkmal hin und bleiben Sie möglichst lange so stehen. Machen Sie keine Bewegung. Unter den letzten, die durchhalten, wird der Preis ausgelost.«
Die Zuschauer sahen einander ungläubig an. Andererseits, die Aussicht auf fünf Jahre kostenlosen Eintritt ins Stadion war wohl die Mühe wert, sich für ein paar Minuten in die Kindheit zurückzuversetzen.
»Haben alle verstanden? Dann rufen Sie laut JA !«
Das zustimmende Gebrüll erfüllte die Arena. Alle Protestrufe waren verstummt.
»Großartig. Sie sind wirklich das beste Publikum der Welt. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie so lange wie möglich stehen bleiben müssen, ohne sich zu rühren. Also, bereit? Auf mein Zeichen … Kommando: keine Bewegung mehr!«
Ein oder zwei Spätzünder stürzten sich mit der Getränkedose oder dem Popcornbehälter in der Hand auf die ihnen zunächst liegenden freien Sitzplätze, doch schon bald erstarrten wie mit einem Zauberschlag die Tausende von Zuschauern ebenso wie die Spieler, Schiedsrichter, Trainer und Getränkeverkäufer – eine Armee aus Gipsfiguren.
Es war ein eindrucksvolles Bild. Nicht einmal bei der Nationalhymne waren die Leute so ruhig
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