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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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wagte kaum, mit ihm zu sprechen. Er stand schon wieder in seiner Schuld, und das beschämte ihn. Vor allem deshalb, weil er wußte, daß er McVries nun nicht mehr helfen würde, selbst wenn sich die Gelegenheit böte. Die Sache mit Jan und seiner Mutter war jetzt vorbei. Unwiderruflich und für immer. Er würde sie nie mehr wiedersehen, es sei denn, er gewann. Und jetzt wollte er unbedingt gewinnen.
    Es war seltsam. Dies war das erste Mal, daß er sich wirklich wünschte, diesen Marsch zu gewinnen. Selbst am Start, als er sich noch frisch und kräftig gefühlt hatte - zu der Zeit, als die Dinosaurier noch die Erde bevölkerten -, hatte er nicht bewußt den Wunsch gehabt zu gewinnen. Da war das Ganze nur eine Herausforderung gewesen. Aber die Gewehre schössen keine kleinen roten Zettel ab, auf denen FANG! geschrieben stand. Dies war kein Baseball und auch kein anderes Spiel, es war die brutale Realität.
    Oder hatte er es etwa die ganze Zeit schon gewußt?
    Seit er wußte, daß er gewinnen wollte, taten die Füße doppelt so weh, und wenn er tief einatmete, spürte er einen stechenden Schmerz in der Lunge. Auch bekam er immer mehr das Gefühl, daß er Fieber hätte - vielleicht hatte er sich bei Scramm angesteckt?
    Er wollte also gewinnen, aber nicht einmal McVries würde es fertigbringen, ihn über diese unsichtbare Ziellinie zu tragen. Er glaubte nicht, daß er es schaffen würde. In seiner ersten Schulklasse hatte er einmal einen Buchstabierwettbewerb gewonnen, und man hatte ihn zum großen Distriktwettbewerb geschickt. Aber der Schiedsrichter war nicht so rücksichtsvoll wie seine Miß Petrie gewesen. Die gute, weichherzige Miß Petrie. Er hatte da gestanden, ungläubig, tief verletzt, und war sicher gewesen, daß jemand sich einen Fehler erlaubt hatte. Aber es war kein Fehler, er war einfach nicht gut genug gewesen, die anderen zu schlagen. Und auch jetzt würde er nicht gut genug sein. Gut genug zwar, um die meisten zu überrunden, aber es würde nicht für alle reichen. Seine Füße hatten ihre wütende Rebellion aufgegeben, aber ihre Meuterei war nicht mehr weit entfernt.
    Seit Freeport hatte es nur noch drei erwischt. Einer davon war der unglückselige Klingerman gewesen. Er wußte, was die anderen sich jetzt alle dachten. Jetzt waren zu viele erschossen worden, um noch aufzugeben. Nicht, wenn nur noch zwanzig zu besiegen waren. Sie würden jetzt weitergehen, bis ihre Körper und Gehirne von allein auseinanderfielen.
    Sie gingen über eine Brücke, die einen kleinen, gemächlich fließenden Bach überspannte. Die Wasseroberfläche wurde von den Regentropfen aufgerauht. Die Gewehre dröhnten, die Menge applaudierte, und Garraty spürte ganz hinten in seinem Kopf einen blöden Hoffnungsschimmer. Ein winziges Stückchen dem Ende näher.
    »Na, hat dein Mädchen hübsch ausgesehen?«
    Es war Abraham, der jetzt tatsächlich wie das Opfer eines Konzentrationslagers aussah. Aus unerklärlichem Grund hatte er sowohl seine Jacke als auch sein Oberhemd weggeworfen. An seinem knochigen Brustkorb konnte man jede Rippe zählen.
    »Ja«, antwortete Garraty gedehnt. »Ich hoffe, ich werde sie wiedersehen.«
    Abraham lächelte. »Du hoffst? Ja, ich fange auch langsam an, mich daran zu erinnern, wie man das Wort buchstabiert.«
    Es klang wie eine milde Drohung. »War das gerade Tubbins?«
    Garraty lauschte in die Menge. Er konnte nur noch ihr Getöse hören. »Ja, bei Gott, du hast recht. Dann hat Parker ihn wohl endlich fertiggemacht.«
    »Ich sage mir immer wieder, daß ich nichts weiter zu tun habe, als einen Fuß vor den anderen zu setzen«, sagte Abraham.
    »Ja«.
    Abraham sah ihn plötzlich bekümmert an. »Garraty... Es ist gemein, so etwas zu sagen, aber -«
    »Was ist los?«
    Abraham schwieg eine lange Weile. Er hatte feste Halbschuhe an, die in Garratys Augen fürchterlich schwer aussahen; seine eigenen Füße waren jetzt nackt, kalt und entsetzlich wund. Sie schleppten sich schwer über die Straße, die sich zu drei Fahrspuren erweitert hatte. Die Menge kam jetzt nicht mehr so nahe an sie heran und war auch nicht mehr so ohrenbetäubend laut, wie sie es seit Augusta gewesen war.
    Abraham blickte noch bekümmerter vor sich hin als vorher. »Es ist wirklich gemein«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«
    Garraty zuckte verwirrt die Achseln. »Dann sag es einfach.«
    »Na gut. Hör mal, wir haben uns auf etwas geeinigt. All die, die noch übrig sind.«
    »Auf ein Scrabble vielleicht?«
    »Es ist eine

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