Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
versetzte Kommissar
Schauß und schob den Postboten sanft in Richtung Tür.
»Keine Ursache,
das ist schließlich der Sinn eines Express-Einschreibens.«
Wolfram
Tannenberg hielt Kollmenter, der offensichtlich seinen Kollegen begleiten wollte,
am Ärmel fest. »Bleib du bitte noch einen Moment hier. Vielleicht benötigen wir
deine Hilfe noch einmal«, flüsterte er ihm zu. Dann ging er zu seiner Sekretärin
und borgte sich eine Schere aus.
»Sollte
den nicht besser Karl öffnen?«, monierte Schauß.
»Quatsch!«,
fauchte sein Vorgesetzter und wischte den Einwand mit einer energischen Geste beiseite.
»Bei den anderen Briefen haben die Dreckschnüffler schließlich auch nichts entdeckt,
was uns weiterbringt. Die Fingerspuren, die sich auf beiden Kuverts befanden,
stammen von Werner und mir. Außerdem hat dieser Brief hier ein kleineres Format
als die anderen.«
Vorsichtig
tastet er auf dem Papier herum. »Und der Inhalt fühlt sich ganz anders an. Der ist
flach und nicht reliefartig wie bei den aufgeklebten Spinnennetzen.«
»Vielleicht
ist er ja gar nicht vom Entführer«, spekulierte der Rechtsmediziner.
Tannenberg
setzte sich an den Besuchertisch, stach mit der Scherenspitze in eine Kuvertecke
und schnitt die Lasche auf. Er schaute kurz in die Öffnung hinein, dann pickte er
mit spitzen Fingern eine CD-Hülle heraus. Zur Sicherheit stellte er den Umschlag
auf den Kopf, doch außer der CD befand sich nichts in dem Kuvert. Er schob es zur
Seite und klappte den Plastikdeckel der CD-Hülle auf.
»Sieht aus
wie eine ganz normale, unbeschriftete 700-MB-CD«, sagte Michael Schauß. »Bin sehr
gespannt, was da drauf ist.«
»Das werden
wir gleich erfahren«, meinte Tannenberg und ging zu Petra Flockerzies Schreibtisch.
In weiser Voraussicht hatte die Sekretärin bereits das CD-Fach ihres Computers ausfahren
lassen. Ihr Chef legte die silberne Scheibe ein.
»Mensch,
dauert das lange«, schimpfte Kommissar Schauß.
»Auch nicht
länger als an deinem Computer«, konterte Petra Flockerzie.
»Vier Bilddateien«,
sagte Dr. Schönthaler.
Die Sekretärin
klickte auf das erste gelbe Rechteck, woraufhin ein weiblicher Oberschenkel den
gesamten Flachbildschirm ausfüllte, in den ein Spinnennetz eingraviert war. Darüber
prangte in blutverkrusteten Lettern ›Natalie Himmer‹.
»Diese perverse
Drecksau«, zischte Michael Schauß.
»Das ist
mit hoher Wahrscheinlichkeit der Name seines neuen Opfers«, schlussfolgerte Tannenberg.
»In der Zentrale ist in der Zwischenzeit keine weitere Vermisstenmeldung eingegangen,
Flocke, oder?«
Petra Flockerzie
hielt die Hand vor den Mund, so als wolle sie das Herunterklappen ihres Unterkiefers
verhindert. Mechanisch schüttelte sie den Kopf. Zu mehr war sie gegenwärtig nicht
in der Lage.
»Warum erhöht
dieser Geisteskranke immer weiter den Zeitdruck?«, murmelte ihr Vorgesetzter vor
sich hin.
»Vielleicht,
weil er zum Ende kommen will?«, bemerkte der Rechtsmediziner trocken.
»Was für
ein Wahnsinn, was für ein Wahnsinn«, brabbelte der Leiter des K 1.
Mit beiden
Händen fuhr Tannenberg durch seine Haare. Er holte tief Luft und bat die Sekretärin,
die nächste Datei zu öffnen.
Seine korpulente
Mitarbeiterin war nach wie vor so geschockt, dass sie die Anweisung erst mit einer
kurzen Verzögerung befolgte. Ein aufgeklebtes Spinnennetz war nun auf dem Monitor
zu sehen, das mit drei gleichgroßen, um das Zentrum des Netzes herumgruppierten
schwarzen Plastikmücken besetzt war.
»Also ist
diese Natalie Himmer sein drittes Opfer«, sagte Wolfram Tannenberg eher zu sich
selbst. »Weiter«, forderte er laut.
»Das gibt’s
doch gar nicht«, stieß Dr. Schönthaler entgeistert aus, als das nächste Bild sich
öffnete. »Der Sauhund hat die armen Frauen in ein riesiges Spinnennetz hineingehängt.«
»Wo könnte
das wohl sein?«, fragte Tannenberg.
»Ein großer
Kellerraum? Eine Lagerhalle?«, meinte Schauß.
»Oder ein
alter Bunker vielleicht?«, beteiligte sich Petra Flockerzie. »Oder irgendwo in der
Kanalisation.«
»Du hast
wohl zu viele Edgar-Wallace-Filme gesehen. Das Gasthaus an der Themse lässt grüßen«,
spottete der Rechtsmediziner.
»Das Foto
könnte auch in einem ehemaligen Kampfjet-Hangar aufgenommen sein«, spekulierte Tannenberg.
»Auf dem ehemaligen Sembacher Militärflugplatz stehen immer noch unzählige dieser
alten Betongaragen herum.« Sein hektischer Blick huschte zur Bahnhofsuhr, die schräg
gegenüber an der Wand hing. »Wir müssen so schnell wie
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