Todespakt
die Angewohnheit, zu beenden, was ich begonnen habe.
Epilog
Am selben Tag
Rumänien
Stadt Balș
im Westen der Walachischen Tiefebene
Andrada Pindici betrat das Büro ihres Chefs. In den Händen hielt sie die übliche Tagespost, darunter ein Paket ohne Absender. Das war durchaus nichts Ungewöhnliches für sie. Vermutlich wieder eine der üblichen Gefälligkeiten. Solche Arten der Dienstleistung waren völlig normal und wurden von allen geduldet. Daher dachte sie sich nichts dabei, als sie das Paket mit der Post auf dem Schreibtisch deponierte. Vielmehr Unbehagen bereitete ihr der gierige Blick ihres Vorgesetzten, der auf ihre Brüste gerichtet war, die sich üppig unter ihrer Dienstuniform wölbten. Denn auch sexuelle Übergriffe waren in ihren Reihen nicht ungewöhnlich. Selbst der Umstand, dass ihr Chef verheiratet war und Familie hatte, vermochte dieses Unbehagen nicht zu vertreiben.
»Danke, Andrada«, sagte er mit erstaunlich sanfter Stimme, die in seltsamem Gegensatz zu seiner hochgewachsenen Erscheinung stand.
Andrada zuckte kurz zusammen, als sie seine Hand an ihrem Hintern spürte. Dennoch zwang sie sich zu einem Lächeln, als sie das Büro wieder verließ.
Traian Etimescu wandte sich wieder seinem Bildschirm zu. Die letzten Tage hatte er fast ausschließlich damit verbracht, sich im Internet über die Ereignisse in Deutschland zu informieren. Zwar war sein Deutsch alles andere als perfekt, doch war das Medieninteresse an den Vorfällen groß und es gab auch genügend englischsprachige Nachrichtenseiten, die sich damit beschäftigten. Außerdem hatte er ja noch seine Informanten, die ihn darüber aufklärten. Und alle drei Quellen zeichneten dasselbe Bild: Die Lage schien bereinigt. Kiriac und sein Teil der Organisation existierten nicht mehr. Die Wunde war somit geschlossen. Und auch die Mächte, die sich für diese Verletzung verantwortlich zeichneten, waren ausradiert worden. Das dürfte seine Verbündeten freuen und die Geschäfte wieder ankurbeln. Der glücklichste Umstand an der Sache aber war, dass es sich bei diesen Mächten um rechte Radikale gehandelt hatte. Ein besseres Los hätte das Schicksal im nicht zuspielen können. In Deutschland war das für Leute wie ihn gleichzusetzen mit einem Freifahrtschein. Niemand würde es nach solch einem Vorfall wagen über steigende Ausländerkriminalität zu sprechen oder osteuropäische Diebesbanden in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Zu groß wäre die Gefahr, sich politisch die Finger zu verbrennen. Und das wusste er geschickt für seine Zwecke auszunutzen. Einziger Wermutstropfen war der Verlust von Dragan und zwei seiner Männer. Dragan war der Einzige gewesen, dem er blind vertraut hatte. Daher war dieser Verlust sehr schmerzlich für ihn, aber verkraftbar. Es gab genügend andere, die in seine Fußstapfen treten konnten und auch bedingungslos dazu bereit waren. Alles in allem also ein sehr zufriedenstellender Ausgang dieser unerfreulichen Angelegenheit. Viel mehr zu schaffen machten Traian Etimescu die Entwicklungen in seinem eigenen Land. Die EU setzte die rumänische Politik gehörig unter Druck. Die Korruptionsbekämpfer der Staatsanwaltschaften durchpflügten das ganze Land, was es für ihn immer schwieriger gestaltete, Grenz- und Zollbeamte für seine Zwecke einzuspannen. Mal abgesehen von allen anderen wichtigen Institutionen und Ämtern, von denen er selbst eines ausfüllte. Als Polizeichef der Stadt galt es in doppelter Hinsicht Vorsicht walten zu lassen. Das Paket auf seinem Schreibtisch war ein gutes Beispiel dafür. Immer wieder schickten die Leute ihm Aufmerksamkeiten als Dank für seine Großzügigkeit und dass er über bestimmte Dinge hinwegsah. Es war eine Bestätigung ihres Respekts ihm gegenüber. Aber eben auch zunehmend ein Fahrschein ins Gefängnis, weshalb er in Zukunft Abstand zu dieser gebräuchlichen Art von Gefälligkeiten nehmen sollte. Zumindest in dieser direkten Form. Dieses Amt erleichterte ihm die Kontrolle und Überwachung seiner Leute. Es wäre fatal, wenn er diese Macht leichtfertig aufs Spiel setzte. Allein diesem Umstand hatte es diese Vorzimmerschlampe Andrada zu verdanken, dass er ihr nicht schon längst gezeigt hatte, welche Qualifikation er an ihr wirklich bevorzugte. Gleichwohl stand dieses Paket auf seinem Schreibtisch, und es war an seinen offiziellen Namen adressiert. Also sprach von Amtswegen auch nichts dagegen, dessen Inhalt zu überprüfen.
Er zog ein Cuttermesser aus
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