Todespakt
irgendwelche Spuren diesbezüglich finden, lasse ich es euch wissen.«
»Aber das ist doch verrückt«, sagte Rokko und zog einen Streifen Kaugummi aus der Jacke. »Weshalb sollte er das tun? Niemand hält sich unnötig lange an einem Tatort auf, schon gar nicht, wenn er so offen einsehbar ist.«
»Erstens«, entgegnete Chris, »haben wir es hier nicht mit einem gewöhnlichen Tätertyp zu tun. Und zweitens, wer hält schon Ausschau nach einem Erdhügel auf einer Wiese? Nachts verirrt sich niemand in diese Gegend, und der angrenzende Wald bietet genügend Deckung. Er hätte im Schutz der Dunkelheit durchaus die ganze Nacht hier verbringen können, ohne jemandem aufzufallen.«
Rokko schob sich den Kaugummi in den Mund und schüttelte den Kopf. »Das ergibt für mich keinen Sinn«, nuschelte er.
»Und genau deshalb passt es in das Schema des Täters«, sagte Chris. »Der Kerl spielt sein abartiges Spiel mit uns, und er kann sich durch unsere Ratlosigkeit dabei absolut sicher fühlen.« Chris ließ seinen Blick über das weitläufige Gelände gleiten. »Warum hier?«, ging er laut seinen Gedanken nach. »Ihm muss klar gewesen sein, dass es Tage hätte dauern können, bis jemand sich hierher verirrt. Genau das war der Grund, weshalb er uns mit der Nase darauf gestoßen hat. Er wollte, dass wir den Leichnam schnellstmöglich finden. Aber wieso dann hier?«
»Er brauchte Abgeschiedenheit, um das hier zu bewältigen.«
»Ja, aber das ist nicht der einzige Grund. So wie bei dieser Pestkapelle muss es auch zu diesem Tatort einen Bezug geben.«
»An deiner Stelle würde ich mich lieber fragen, weshalb er dir diese Botschaft geschickt hat?«
Chris verharrte einen Moment. In der Aufregung hatte er noch nicht darüber nachgedacht. »Mein Name ist während der Entführungssache vor zwei Jahren mehrfach in der Presse aufgetaucht, wie du weißt. Da dürfte es nicht schwer gewesen sein, eine Verbindung zu ziehen.«
»Und woher hat der Kerl deine Nummer?«
Chris schwieg einige Sekunden, in denen sich ein unbehaglicher Druck in seinem Magen aufbaute. »Die Nummer steht auf jeder meiner dienstlichen Visitenkarten«, sagte er.
»Dann solltest du gut überlegen, wem du die in letzter Zeit gegeben hast.«
Uwe Meißner trat einen Schritt auf die beiden Ermittler zu. Eine aufkommende Windböe ließ den weißen Overall wie ein loses Segel um seinen schlaksigen Körper flattern. »Das hier macht mir Angst«, sagte er und senkte dabei seine Stimme, als dürfe es niemand anderes hören. »Zwei Tote in zwei Tagen. Wenn das eine Art Schema ist, dürften wir es bald schwer haben, mit unserer Arbeit hinterherzukommen.«
Chris fuhr sich durch seine dunkelblonden Haare, die über der Stirn deutliche Geheimratsecken aufwiesen. »Glaub mir, wir ermitteln in alle Richtungen, aber ich kann nun mal keine Ergebnisse erzwingen. Wir brauchen mehr Zeit.«
»Die wird dieser Irre euch nicht geben«, beharrte Meißner. »Ich will euch nicht in eure Arbeit pfuschen, aber ich finde, ihr solltet euch allmählich über die Gründung einer Sonderkommission Gedanken machen. Das hier wird nicht aufhören.«
Chris nickte. »Ich werde nachher mit dem Alten darüber reden, obwohl Deckert sicher nicht begeistert sein wird. Ihm fehlt jetzt schon an jeder Ecke Personal.«
»Ihm wird keine andere Wahl bleiben«, sagte Meißner. »Der öffentliche Druck ist jetzt schon ziemlich groß, und die Medien werden ihr Übriges dazu beitragen.«
Mit beiden Punkten kannte Chris sich bestens aus. Und er konnte nicht von sich behaupten, dass sie ihm sonderlich behagten.
»Wir lassen den Leichnam jetzt abtransportieren«, sagte Meißner. »Meinen Bericht bekommt ihr morgen.«
Chris nickte. »Danke, Uwe.«
Nachdem Meißner sich entfernt hatte, gingen auch Chris und Rokko in Richtung ihres Dienstfahrzeugs.
»Er hat recht, und das weißt du«, sagte Rokko.
Chris kommentierte diese Aussage mit Schweigen.
»Wir sollten uns schnellstens an die Presse wenden und um Hinweise aus der Bevölkerung bitten. Vielleicht hat doch jemand irgendetwas gesehen.«
»Ja«, erwiderte Chris nachdenklich. »Ich weiß auch schon, wer dafür infrage kommt.«
6
Marc Bondek saß in der Redaktion des Rhein-Anzeigers, als ihn die Anforderung erreichte. Bereits am Vortag hatte er versucht, sich an die Story mit dem Pesttoten zu hängen. Doch die Polizei hatte eine Nachrichtensperre verhängt, sodass Bondek nur die offiziellen Presseinformationen zur Verfügung standen, die nur vage
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