Todespakt
»dass ich Ihnen die Füße küsse?«
»Ich verlange einfach nur ein wenig gebührenden Respekt von Ihnen«, sagte Klose. »Aber anscheinend sind Sie dazu nicht in der Lage.«
»Sie wollen Respekt?«, schrie Rokko, der noch immer alle Hände voll damit zu tun hatte, Chris im Zaum zu halten. »Dann benehmen Sie sich wie jemand, der ihn verdient!«
Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Chris gab nach, worauf Rokko seinen Griff lockerte.
»Was ist? Starrt mich nicht so an«, schrie er zornig. »Auch meine Geduld kennt Grenzen, Herrgott! Da draußen ist eine Killertruppe auf irgendeinem Kreuzzug und tötet Menschen auf grausamste Weise, und ihr beide habt nichts Besseres zu tun, als euch die Köpfe einzurennen. Ich glaube, in jedem Kindergarten geht es erwachsener zu. Also könntet ihr bitte euer dämliches Platzhirschgehabe einstellen und euch wie vernünftige Menschen benehmen, damit wir hier weiterkommen!« Empört richtete er sich sein Hemd. Dann deutete er auf Chris, der ihn verdutzt betrachtete. »Du wirst dich verdammt nochmal bei ihm entschuldigen«, er schwenkte den Finger auf Klose, »und Sie beschränken Ihre Selbstgefälligkeit auf Ihre Vorträge, denn hier ist sie nicht sehr angebracht. Wir haben Sie als Berater hinzugezogen, und nicht, um Ihre intellektuelle Eitelkeit zu befriedigen. Im Moment ringt womöglich das nächste Opfer um sein Leben, und wir verschwenden hier nur wertvolle Zeit. Also setzen Sie sich gefälligst wieder hin und tun Sie, weshalb Sie hier sind, ansonsten können wir dieses Gespräch auch gerne im nächsten Verhörzimmer fortsetzen!«
Für einige Sekunden herrschte Schweigen. Schließlich war es Chris, der den ersten Schritt tat.
»Also gut«, meinte er kleinlaut, »ich entschuldige mich für mein Verhalten, und es tut mir leid.« Es war ihm anzumerken, wie schwer ihm diese Worte fielen.
Einige weitere Sekunden vergingen, bis auch Klose ein Einsehen hatte. Er nickte Chris wortlos zu und setzte sich wieder auf den Stuhl.
»Schön«, sagte Rokko, »da wir ja nun alle wieder vernünftig geworden sind, lassen Sie uns an Ihren Erkenntnissen teilhaben, Herr Professor.«
Klose atmete tief durch und räusperte sich. »Nun ja«, begann er verhalten, »es geht um das Wort, das dem letzten Opfer auf den Körper geschnitten wurde. Unter dem Begriff Wucherer versteht man im Allgemeinen eine Person, die völlig überhöhte Gegenleistungen einfordert. Bei unserem Telefonat ist es mir nicht direkt in den Sinn gekommen, aber später fiel mir ein, dass dieses Wort noch in einem anderen Zusammenhang Verwendung gefunden hat.« Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Im Mittelalter wurde dieser Begriff hauptsächlich als Schimpfwort für Juden verwendet.«
»Juden?«, fragte Chris überrascht.
»Ihrer Verwunderung entnehme ich, dass Ihre Kenntnisse in antisemitischer Geschichte nur bis zum Zweiten Weltkrieg zurückreichen«, entgegnete Klose in der für ihn typisch belehrenden Tonlage, die ihm einen weiteren strengen Blick von Rokko einbrachte. Daraufhin atmete Klose ein weiteres Mal durch und zügelte diesen erneuten Ausbruch intellektuellen Hochmuts. »Die Christen grenzten die Juden aber schon seit dem 9. Jahrhundert aus den meisten Berufen aus«, fuhr er besonnen fort. »Man beschuldigte sie, für den Tod Jesu Christi verantwortlich zu sein und überließ ihnen verachtende Tätigkeiten wie den Trödelhandel und das Pfand- und Kreditwesen. Letzteres wurde von der Kirche missbilligt, weshalb die Juden mit dem schändlichen Begriff Wucherer betitelt wurden. Später ging man sogar so weit, sie für die Pestepidemien verantwortlich zu machen, da sie nach Ansicht der gläubigen Bevölkerung den Zorn Gottes auf sich zogen.«
Chris ließ diese Informationen einige Sekunden auf sich wirken. »Und inwiefern soll uns das weiterhelfen?«, fragte er. »Ich glaube kaum, dass alle der Opfer jüdischen Glaubens waren.«
»Da gebe ich Ihnen Recht«, meinte Klose. »Da mindestens zwei der Opfer rumänischer Abstammung waren, ist dies wohl auszuschließen. Der jüdische Glaube spielt in Rumänien nur eine untergeordnete Rolle, da er dort bis zum Ende der achtziger Jahre nur widerwillig geduldet wurde. Der Begriff Wucherer hat in diesem Zusammenhang eher allgemeine rassistische oder fremdenfeindliche Hintergründe.«
Immerhin war das eine Möglichkeit, die sie bis jetzt noch nicht in Betracht gezogen hatten. Schon allein deswegen nicht, weil bis vor wenigen Stunden nur bei zwei der Opfer
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