Todespakt
eine gesicherte Identifizierung vorlag.
Chris setzte sich an seinen Bildschirm und rief die Akte von Daniel Nowak auf. »Nowak ist in Deutschland geboren«, entnahm er den Einträgen.
»Sein Name lässt aber darauf schließen, dass seine Familie osteuropäische Wurzeln hat«, entgegnete Klose.
Chris überlegte einen Moment. »Also gut. Gehen wir mal davon aus, Sie haben recht. Dann haben wir es Ihrer Meinung nach mit einer Art mittelalterlichen Ku-Klux-Klan-Gruppierung zu tun, die auf höchst eigene Weise Selbstjustiz verübt?«
»Natürlich könnte man das so sehen, allerdings müsste man aufgrund des mittelalterlichen Bezuges ein wenig differenzieren. Denn etwa zu dieser Zeit entstand der Rassismus, wie wir ihn kennen. Allerdings fand er damals eher in religiöser als in naturwissenschaftlicher Diktion statt. Es war weniger die Herkunft und Hautfarbe eines Menschen, als vielmehr seine religiöse Orientierung, wegen der er ausgegrenzt und verfolgt wurde. Auf diese Grundlage sind auch die Hexenverbrennungen zurückzuführen, die als ketzerisches Teufelswerk angesehen wurden. Viele Historiker sehen in der Religion sogar den Ursprung des modernen Rassismus.«
»Dann hat das Ganze also religiöse Motive«, stellte Rokko fest.
»Das muss zwar nicht die treibende Kraft dieser Leute sein, aber ich bin mir sicher, dass es dabei eine Rolle spielt.«
»Gottes Gerechtigkeit«, brachte es Chris auf den Punkt.
»Wenn Sie so wollen, ja. Obwohl ich es eher als Gerechtigkeit des Mittelalters bezeichnen würde. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, hat der Reporter, der entführt wurde, gute Chancen zu überleben.«
»Und woraus schließen Sie das?«, fragte Rokko.
»Im Grunde hat Ihr Freund nach damaliger Rechtsansicht nur den Tatbestand der Beleidigung, schlimmstenfalls der Verleumdung begangen. Darauf stand nicht die Todesstrafe.«
Chris betrachtete ihn skeptisch. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Täter den Aufwand und das Risiko einer Entführung auf sich nehmen, nur um Bondek eine Lektion zu erteilen.«
»Das hängt ganz von der Lektion ab«, sagte Klose kühl.
»Könnten Sie etwas konkreter werden?«
»Die mittelalterliche Rechtsprechung hielt sich an den biblischen Grundsatz Auge um Auge, Zahn um Zahn «, erläuterte Klose. »Man versuchte, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sogenannte Spiegelstrafen, die das eigentliche Vergehen wiedergaben. Bei Meineid wurde einem die Hand oder der Finger abgetrennt. Hatte man jemandem ein Auge ausgeschlagen, bekam man eins ausgestochen. Und bei Lüge, Gotteslästerung, Verleumdung oder Schmähung der Obrigkeit wurde einem die ...«
»Schon gut«, unterbrach ihn Chris. »Ich denke, wir haben es verstanden.« Er sank in seinem Stuhl zusammen, und ein eiskalter Schauer lief seinen Rücken hinab, als er sich vorzustellen versuchte, wie Bondek in diesem Moment die Zunge abgeschnitten wurde.
22
Bondek schrie auf, als die Gestalten die Schrauben der beiden Metallplatten, die um seine Lenden und seinen Bauch geschnallt waren, fester drehten. Zunächst hatten sich die Platten nur unangenehm kalt auf seiner Haut angefühlt, doch nun bohrten sich die Stahldochte an den Innenseiten wie dutzende kleiner Messerspitzen in seine Haut und erzeugten einen Ring aus Feuer um seine Taille. Schraubstockartig zogen sich die Platten mit jeder Drehung weiter zusammen und quetschten Bondeks Körper zwischen sich ein, trieben die Spitzen tiefer in sein Fleisch. Er spürte, wie kleine warme Rinnsale aus Blut an ihm hinabliefen und seine Unterhose tränkten. Die Droge, die man ihm verabreicht hatte, dämpfte den Schmerz, doch sie war nicht mehr stark genug, um ihn auszublenden. Ein weiterer Schrei hallte durch den dunklen Raum, in dem das Flackern der Kerzen die drei Gestalten vor ihm wie geisterhafte Konturen erscheinen ließ. Erneut schien ein Vogel zu kreischen, doch er schrieb dieses Geräusch weiterhin seiner getrübten Wahrnehmung zu.
»Aufhören!«, schrie Bondek. »Hört auf!«
»Wir fangen gerade erst an«, hallte die Stimme. »Ich nenne dieses kleine Instrument meinen Bußgürtel. Kannst du dir denken, warum?« Die Stimme ging in ein grässliches Lachen über.
»Was seid ihr bloß für kranke Typen.«
»Nein«, schrie die Stimme gellend auf. » Wir sind es nicht, die krank sind. Wie Parasiten fallen die Ungläubigen über die Grenzen und ziehen mordend und plündernd durch unser Land. Sie hinterlassen nur Wut und Ohnmacht. Und Polizei und Justiz sehen machtlos dabei
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