Todesqual: Thriller
waren alle drei Kästchen angekreuzt, was hieß, dass sie erstens das Opfer entdeckt, zweitens den Mord gemeldet und drittens die Leiche identifiziert hatte. Die Bestätigung, dass sie als nächste Angehörige über den Tod ihres Bruders informiert worden war, fand sich in einem vierten Kästchen an der Seite.
Allerdings konnte diese bürokratische Übergenauigkeit Lena nur ein Achselzucken entlocken. Als sie die Sektion Zeitliche Abfolge studierte, wurde ihr klar, dass Martin und Drabyak das Verbrechen zunächst als Raubüberfall mit Todesfolge behandelt hatten. Die Annahme lautete, David sei vom Club zur Vista Del Mar gefahren, um Drogen zu kaufen, obwohl Lena beteuert hatte, dass er sich inzwischen auf Alkohol beschränkte.
Im Polster des Beifahrersitzes war ein Geschoss sichergestellt worden. Schmauchspuren fanden sich auf dem Außenspiegel an der Fahrerseite, oben links auf dem Lenkrad sowie an Davids linker Handfläche. Nach dem Einschusswinkel und besagten Schmauchspuren zu urteilen, hatte der Schütze etwa dreißig Zentimeter entfernt vom Wagen gestanden. Die beiden Detectives waren sich einig, dass das Opfer sich bedroht gefühlt haben musste. Ihrer Ansicht nach hatte David versucht, auf den Beifahrersitz zurückzuweichen, und war frontal und aus nächster Nähe erschossen worden.
Lena malte sich die Szene aus. Ihr Bruder, eingezwängt auf dem Vordersitz, wie er sich vergeblich bemühte, den Schuss mit der Hand abzuwehren. Kurz blickte sie aus dem Fenster und fragte sich, ob sie stark genug war, sich den Fakten zu stellen. Dann jedoch schob sie den Kaffeebecher weg, stützte die Mappe auf ihren Schoß und begann zu lesen.
Aus der Anzahl der Eintragungen im Kapitel Zeitliche Abfolge schloss sie, dass Martin und Drabyak sich mächtig ins Zeug gelegt hatten. Obwohl anfangs alles auf einen Fall von Straßenkriminalität hinwies, ermittelten sie vorurteilsfrei und blieben offen für andere Erklärungen. Dann, zwei Tage nach dem Mord, wurde Zelda Clemens vernommen. Lena stellte fest, dass einer der Detectives ihren Namen eingekreist und zweimal unterstrichen hatte. Als die Autopsieergebnisse vorlagen, traten die Ermittlungen in die nächste Phase.
Lena schlug Sektion 19, den Bericht des Leichenbeschauers auf. Die Plastikhüllen unter den Resultaten der gerichtsmedizinischen Untersuchung überblätterte sie rasch, da diese, wie sie wusste, Autopsiefotos enthielten. Der Gerichtsmediziner hatte den Verdacht der Detectives bestätigt, dass auch ein anderer Tathergang mehr als wahrscheinlich sei. Die Obduktion der Leiche ihres Bruders hatte nämlich ergeben, dass man am Tatort voreilige Schlüsse gezogen hatte.
David hatte zwar keine illegalen Drogen im Körper gehabt, allerdings so viel Alkohol, dass der Gerichtsmediziner Erstaunen äußerte, wie er überhaupt ein Kraftfahrzeug habe führen können. Sein Blutalkoholspiegel sei fünfmal höher gewesen als hinter dem Steuer erlaubt, was hieß, dass er vermutlich weder das Bedürfnis noch überhaupt die Fähigkeit besessen habe, Drogen zu kaufen oder zu konsumieren. Außerdem wiesen Abstriche darauf hin, dass der Tote kurz vor seiner Ermordung vaginalen und analen Verkehr mit einer Frau gehabt habe.
Und so entwickelten Martin und Dabyak eine neue Theorie, die sie bis ganz zum Schluss nicht mehr losließ: Zelda Clemens sei ihrem Ex bis zu der Sackgasse in Hollywood gefolgt und habe ihn dort mit einer anderen Frau auf dem Vordersitz seines Wagens ertappt. Sie sei Zeugin geworden, wie die beiden betrunken Sex miteinander hatten, und habe anschließend ans Fenster geklopft und mit der Waffe gedroht. Dann habe sie sich an der Todesangst ihres ehemaligen Geliebten geweidet, abgedrückt und sei in die Nacht geflohen. So sei David Gamble in Hollywood gestorben. Abgeknallt von einer eifersüchtigen Zicke, die log wie gedruckt.
Lena blätterte zu Sektion 12 und las Zeldas Aussage. Selbst als Martin und Drabyak sie unter Druck setzten, hatte sie aggressiv reagiert und sich nicht weichkochen lassen. »Ich habe mich in dieser Nacht volllaufen lassen«, stand da. »Ich habe gesehen, wie David mit dieser Fotze abzog. Da bin ich ausgeflippt und habe mich lächerlich gemacht. Darin bin ich recht gut. Aber hört mir gut zu, ihr Penner, ich habe nichts weiter getan, als nach Hause zu gehen.« Als man sie bat, die Frau zu beschreiben, mit der Gamble in jener Nacht den Club verlassen hatte, sagte sie: »Ich habe bloß ihren Arsch gesehen. Echt scharf.«
Auch die Kriminaltechnik
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