Todesqual
Präsidiums einbogen. Auf der Fahrt im Aufzug in den zweiten Stock wurde ihr Puls immer schwächer. Und als Lieutenant Barrera sie ins Büro des Captain winkte, war der Brechreiz beinahe übermächtig. Stan Rhodes saß bereits mit gesenktem Blick am Konferenztisch.
»Nehmen Sie Platz«, sagte Barrera und schloss die Tür. »Wir haben viel zu tun.«
Lena setzte sich neben ihren Partner, während Barrera den Raum durchquerte und sich neben Rhodes niederließ. Eine Front: Wir gegen sie.
»Die DNA-Ergebnisse sind da«, verkündete Barrera. »Die am Tatort Holt bei der Unbekannten festgestellten Spermaspuren stimmen mit den Proben aus den Fällen Teresa López und Nikki Brant überein. Also ist Romeo unser Mörder. Er hat die Frau umgebracht und dann gewartet, bis Holt nach Hause kam, um seine Reaktion zu beobachten.«
Lena sah Rhodes an, der sie beim Hereinkommen nicht einmal begrüßt hatte. Er wirkte angespannt und hatte offenbar schon wieder nicht geschlafen. Ihre Augen wanderten zu der Narbe an seinem linken Ohrläppchen. Das X trat sogar noch stärker hervor als gestern.
»Hören Sie überhaupt zu, Gamble?«, fragte Barrera.
Lena nicke wortlos. Barrera schob den Laborbericht über den Tisch, als hoffe er, dass sie und Novak dadurch endlich zur Vernunft kommen würden.
»Romeo ist unser Mann«, wiederholte er. »Und Holt hat Ihren Bruder auf dem Gewissen. Dafür haben wir jetzt die Bestätigung. Der Fall ist abgeschlossen, Detective. Es ist vorbei.«
Barrera musterte sie abschätzend, während er weitersprach. Offenbar hatte er noch mehr zu sagen. Lena wartete schweigend ab und fragte sich, was wohl als Nächstes kommen würde.
»Der Mord an Ihrem Bruder war ein äußerst medienwirksamer Fall«, fuhr er fort. »Es ist ein Pluspunkt für uns, dass unsere Abteilung ihn aufklären konnte. Der neue Polizeipräsident ist hocherfreut, befürchtet allerdings, dass es undichte Stellen geben könnte. Deshalb wird er die Pressekonferenz bereits in einer Stunde abhalten, anstatt bis heute Nachmittag zu warten. Ich weiß, dass es sehr kurzfristig ist, Gamble, doch er möchte, dass Sie ein paar Worte sprechen und neben ihm auf dem Podium stehen.«
Lena war vor Entsetzen wie gelähmt und bemerkte erst gar nicht, dass Novak aufgesprungen war. Und zwar so heftig, dass sein Stuhl umkippte.
»Das ist doch bodenloser Schwachsinn!«, brüllte er.
»Setzen Sie sich, Detective«, befahl Barrera.
»Es ist Schwachsinn, und Sie wissen das ganz genau.«
»Entweder Sie setzen sich jetzt, oder Sie hauen sofort ab.«
Barreras Stimme hallte von den Glaswänden wider.
»Ich möchte gern Holts Tagebücher sehen«, ergriff Lena schließlich das Wort.
»Warum?«, herrschte Barrera sie an. »Der Fall ist abgeschlossen. Und damit basta.«
»Ich will sie lesen. Und zwar alle. Jedes einzelne bis zum Tag seines Todes.«
Langsam hob Rhodes den Blick vom Tisch und starrte sie entgeistert an. Sie wagte es, die unglaubliche Forderung, die man ihr stellte, mit einer eigenen Forderung zu kontern. Allerdings fühlte sich Lena voll und ganz im Recht. Letzte Nacht beim Nachhausekommen hatte sie einen Einfall gehabt. Wenn Holt dem Mord an ihrem Bruder auf den Grund gegangen war, hatte er sich vielleicht Notizen gemacht.
»Die Tagebücher sind nicht hier«, entgegnete Rhodes. »Aber ich weiß, was drinsteht. Für deine Theorie sind sie vollkommen irrelevant.«
»Woher willst du wissen, was ich für eine Theorie habe?«
»Vergessen Sie die albernen Tagebücher«, unterbrach Barrera. »Bis zur Pressekonferenz haben Sie eine Stunde, Ihre Rede auswendig zu lernen. Das ist keine Bitte, Detective, sondern ein Befehl. Ein klarer Befehl.«
Er schob ihr ein Blatt Papier zu, ihre Rede, verfasst von jemandem in der Chefetage. Sie war kurz und umfasste nur zwei Absätze. Darin dankte Lena ihren Kollegen dafür, dass sie das Verbrechen endlich aufgeklärt hatten und ihr somit die Möglichkeit gaben, den Mord an ihrem Bruder zu verarbeiten.
Obwohl das Ergebnis nur schwer zu ertragen sei, sei sie nun um so fester entschlossen, eine noch bessere Polizistin...
Als sie aufschaute, stellte sie fest, dass auch Novak die vorgefertigte Rede las und dabei missbilligend das Gesicht verzog. Währenddessen überschlugen sich ihre eigenen Gedanken, und sie erinnerte sich an das Gespräch vor einer Viertelstunde im Auto.
Offenbar gab es da jemanden in ihren Reihen, der derzeit eine ganze Menge von Hebeln in Bewegung setzte.
Und offenbar hatte er ihr in diesem Spiel
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