Todesqual
Besten stehe.
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E r konnte ihre Vagina riechen. So sehr er auch versuchte, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, wurde er den Geruch nicht los. Er war immer da und schwang in ihrem Parfüm mit. Verborgen, aber nicht vergessen, trotz aller Versuche des Parfüm-Herstellers, den Duft blühenden Lavendels nachzuahmen, der durch die kühle Morgenluft über einen Garten direkt in seine Nase wehte.
Martin Fellows mochte den Duft von Lavendel.
Er blickte von seinem Notizbuch auf. Harriet Wilson, die ihm am Labortisch gegenübersaß, lächelte ihm zu. Wie immer erwiderte er die Geste, zumindest bemühte er sich, trotz seines Wissens, dass sich alles verändert hatte.
Und zwar mit einem Schlag, seit er ihr wahres Gesicht kannte.
Das Schlimmste daran war, dass er es als Letzter erfahren hatte. Die ganze Firma war im Bilde gewesen, eine quälende Erkenntnis, die ihn nachts wach hielt und an seiner aufgewühlten Seele zehrte. Seitdem fiel ihm auf, dass die Kollegen ihn höhnisch angrinsten und Witze darüber rissen, sobald er das Büro im ersten Stock betrat. Wenn er hinausging, hörte er sie hinter seinem Rücken kichern.
Martin Fellows liebte eine Hure. Und er kam sich so gedemütigt vor.
Auf der Suche nach Nummer 3 ließ er den Blick so unauffällig wie möglich durch das Labor schweifen. Sein Herz raste. Obwohl nun alles anders war, regte sich die Eifersucht so heftig wie nie, geschürt von der Befürchtung, dass Nummer 3 Harriets Vagina womöglich auch riechen konnte.
Zum Glück war der Mann am anderen Ende des Raums mit einem Experiment beschäftigt und hatte ihm den Rücken zugekehrt. Er schien recht gewissenhaft zu sein, eine Eigenschaft, die man bei Angehörigen von Minderheiten selten antraf. Genau genommen wusste Martin Fellows noch nicht genau, wie er Nummer 3 einordnen sollte. Sein Name klang asiatisch, nicht spanisch oder osteuropäisch. Allerdings sah Nummer 3 wie ein Mischling aus und erinnerte Fellows optisch an die Leute, die tagsüber untätig im Einkaufszentrum herumlungerten. Wie ihm aufgefallen war, hatten sie nie Tüten in der Hand. Sie kauften nichts, sondern waren Parasiten, die anderen Leuten nur den Platz wegnahmen und den Einkaufsbummel für die wenigen Menschen, die noch Englisch sprachen und sich etwas leisten konnten, zur Tortur machten.
Fellows konnte Nummer 3 nicht leiden, und das würde wohl auch immer so bleiben.
Das ständige freundliche Grinsen des Biologen, seine naiv aufgerissenen Augen, mit denen er in die Welt blickte, und seine ständigen Versuche, sich mit ihm, Fellows, anzufreunden, stießen ihn ab. Es war ein kleines Labor, und sie arbeiteten hier zu dritt, obwohl sie, und da war Fellows ganz sicher, zu zweit genauso gut zurechtgekommen wären. Er hatte keine Lust, Nummer 3s Kumpel zu sein. Und er wollte auch nicht zusammen mit diesem Götzenanbeter in der dämlichen Firmen-Baseballmannschaft spielen.
Fellows wünschte, die Firmenleitung hätte sich weniger den Kopf über die bescheuerte Baseballmannschaft zerbrochen. Denn dann hätte man dort die Lage sicher so beurteilt wie er, Nummer 3 degradiert und ihn in das Labor am Ende
des Flurs versetzt. Aber leider zeigte man in der Chefetage einfach keine Einsicht. Ganz gleich, wie oft Fellows als Laborleiter diesen Vorschlag machte, er wurde abgewimmelt, als habe man vergessen, wer er war, oder seinen Lebenslauf nicht richtig gelesen. Beim letzten Mal war die Reaktion zwar freundlich, aber unnötig knapp ausgefallen.
Vergessen Sie es, Marty. Tommy Tee hat im Baseball eine Menge Stehvermögen.
Fellows wusste zwar nicht genau, was gemeint war, deutete es aber als Anspielung auf Nummer 3s Männlichkeit. Die Aussage war zwar vom Trainer der Mannschaft gekommen, doch Fellows hatte ihn schon länger im Verdacht, ein verkappter Homosexueller zu sein, der selbst in diesen liberalen Zeiten nicht wagte, sich zu seiner Neigung zu bekennen.
Er behielt Nummer 3 eine Weile im Auge. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Baseballstar ihn weder beobachtete noch ihm heimliche Seitenblicke zuwarf, wandte er sich wieder Harriet Wilson zu, um sie einer weiteren gründlichen Musterung zu unterziehen.
Obwohl sie eine Hure war, war sie außerdem die schönste Frau, die er je gesehen hatte. So atemberaubend, dass er ihr Gesicht vor seinem geistigen Auge entstehen lassen konnte. Ihr Haar, eine Mischung aus verschiedenen Blondtönen, reichte ihr bis knapp unter die Schultern. Ihre Augen, ein luftiges Blau, erinnerten ihn an die Farbe von
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