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Todesrosen

Todesrosen

Titel: Todesrosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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ich hab meins dabei.« Sie fischte ein zierliches Handy aus ihrem schicken Handtäschchen und schaltete es ein.
    »Scheiße, unter welcher Nummer erreicht man noch mal die Polizei? Die soll sich doch schon wieder geändert haben. Ist es noch die 11166, oder muss man schon die neue wählen, die 112?«
    »Keine Ahnung«, sagte er.
    Was für ein Armleuchter ist das eigentlich?, dachte sie, der ist völlig von der Rolle.
    »Ich versuch’s mal mit der 112«, sagte sie laut und tippte die Nummer ein.
    »Notruf«, war die Antwort.
    Plötzlich kamen ihr Bedenken, denn ihr fiel ein, dass die Nummern von eingehenden Anrufen bestimmt registriert würden. Sogar die simpelsten Handys konnten mindestens ein Dutzend, wenn nicht mehr, Rufnummern speichern. So ein System gab es bestimmt auch bei der Notrufzentrale. Sie war sich aber keineswegs sicher, ob sie in diesen Leichenfund verwickelt werden wollte, nicht noch mehr, als es bereits der Fall war.
    »Notruf«, hieß es wieder.
    »Äh, hier auf dem Friedhof in der Suðurgata liegt eine Leiche auf dem Grab von Jón Sigurðsson«, sagte sie und brach das Gespräch abrupt ab.
    Aber damit war die Sache nicht ausgestanden, das wusste sie nur zu gut. Der Mann, den sie zum Friedhofstor hatte hinaushuschen sehen, ging ihr nicht aus dem Kopf. Das Tor befand sich ganz in der Nähe von Jón Sigurðssons Grab. Sie war Zeugin, und das war ihr gar nicht recht. Trotzdem drückte sie auf Wahlwiederholung.
    »Notruf«, hieß es ein weiteres Mal.

Zwei
    Das Telefon schrillte vor sich hin.
    Erlendur Sveinsson war geschieden und lebte allein, ein Mann um die fünfzig, der es zutiefst hasste, mitten in der Nacht geweckt zu werden, vor allem, wenn er – wie in dieser Nacht – Probleme mit dem Einschlafen gehabt hatte. Die verdammte Mitternachtssonne ließ ihn keinen Schlaf finden, und gegen sie schien es kein Mittel zu geben. Erlendur hatte es mit schweren Vorhängen im Schlafzimmer versucht, um die nächtliche Helligkeit draußen zu halten, aber sie schaffte es trotzdem, sich hineinzuschmuggeln. Sein neuester Versuch, sich der Helligkeit zu entziehen, war eine mehr als peinliche Aktion gewesen. Ihm waren diese Augenklappen eingefallen, die vornehme alte Damen in Hollywoodfilmen immer im Bett trugen, aber er hatte keine Ahnung, wo es so was zu kaufen gab. Er erkundigte sich bei seiner Kollegin Elínborg.
    »Eine Augenklappe?«, fragte sie erstaunt.
    »Ja, für beide Augen«, antwortete Erlendur mit gedämpfter Stimme.
    »Meinst du die Dinger, die diese reichen alten Schachteln in den Schwarz-Weiß-Filmen tragen?«, fragte sie und weidete sich sichtlich daran, dass Erlendur das so peinlich fand.
    »Wegen der verdammten Mitternachtssonne«, sagte er.
    Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und schickte ihn in ein Geschäft für Trikotagen und Dessous auf dem Laugavegur. Die Verkäuferin, eine ältere, streng aussehende Dame, war so unverschämt zu fragen, was er mit so einer Augenklappe wolle. Und außerdem führten sie Augenklappen gar nicht.
    »Was meinst du eigentlich mit Augenklappe?«, fragte sie so laut, dass es im ganzen Geschäft zu hören war. »So was, was diese alten Schachteln in Kinofilmen tragen?«
    Als er wieder ins Büro kam, war Elínborg bereits weg, hatte ihm aber einen Zettel hinterlassen, unter dem eine spitzenumsäumte Schlafmaske aus weichem, zartrosa Satin lag.
    Das verdammte Teil war aber schlimmer als jegliche Mitternachtssonne. Nachdem Erlendur die Vorhänge zugezogen hatte, legte er sich ins Bett und setzte sich das Ding auf. Das Gummiband war viel zu eng für Erlendurs dicken Schädel und schnitt ein. Er setzte sie zuerst verkehrt herum auf, aber auch nachdem er sie umgedreht hatte, ließ der Steg über der Nase das Sonnenlicht durch. Er plagte sich eine ganze Weile damit herum, bevor er endlich, von Müdigkeit übermannt, in den Schlaf fiel.
    Es kam ihm so vor, als hätte er nur für ein paar Sekunden geschlafen, als das Telefon klingelte. Sigurður Óli war am Apparat.
    »Auf dem Friedhof an der Suðurgata ist eine Leiche gefunden worden«, sagte Sigurður Óli, der wahrscheinlich auch gerade erst aus dem Schlaf gerissen worden war. Er gehörte zu Erlendurs engsten Mitarbeitern bei der Kriminalpolizei. Die meisten anderen Kollegen im Dezernat trauten sich nicht, Erlendur mitten in der Nacht anzurufen.
    »Wo würdest du denn lieber eine Leiche finden?«, entgegnete Erlendur übellaunig. Er begriff nicht, wieso er nichts sehen konnte, obwohl er doch ganz bestimmt die

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