Todesrosen
und wie er und Herbie das mit dem Schmuggel gedeichselt haben. Wie er ihm dabei geholfen hat, den Drogenhandel aufzubauen. Du wolltest ihn doch auch umbringen, das hast du verdammt oft selbst gesagt. Ich hab es für dich getan. Außerdem krepiert der ja bestimmt nicht, sei doch nicht so blöd. Reiche Kerle wie der finden schon Mittel und Wege. Der wird noch viele, viele Jahre leben und krepiert erst als alter Knacker. Aber mich vergisst er bestimmt nicht.«
»Weshalb tust du so etwas?«, fragte Janus. Birta gab ihm keine Antwort.
»Weshalb?«
»Ich hab dir gesagt, du sollst nicht solche dämlichen Fragen stellen«, sagte sie. »Du hättest den Gesichtsausdruck von dem Fiesling sehen sollen. Ich dachte, du würdest dich freuen.«
»Kannst du nicht auf eine einfache Frage antworten? Warum willst du nicht darüber reden? Warum hast du nie darüber reden wollen?«
»Ach, Schnauze.«
»Weswegen bist du so versessen auf dieses elende Leben im Sumpf? Wir sind doch beide gleich, wir sind gleich, wir stammen aus demselben Dorf. Guck mich an, ich bin doch nicht so geworden. Warum bist du so?«
»Wir sind nicht gleich.«
»Nein, du setzt dir einen Schuss in den Bauchnabel.«
»Soll ich dir sagen, warum ich drücke? Willst du das wirklich wissen? Ich mach das, weil ich mich dann wie ein Mensch fühle. Kannst du das verstehen? Wie ein Mensch! Wenn ich gedrückt habe, fühle ich mich wie ein Mensch. So ist das. Oh Mann, lass mich doch endlich in Ruhe und verpiss dich!«
Ganz plötzlich war er sich seiner Sache sicher. Das hier musste ein Ende nehmen. Er hatte mehr als zwei Jahre zugesehen, wie sie sich mit jedem Tag mehr kaputtmachte, und egal, was er unternahm, egal, was er sagte, er schaffte es nicht, diesem Selbstzerstörungstrieb etwas entgegenzusetzen. Als Aids hinzukam, war es sowieso nur noch eine Frage der Zeit, wann der Tod sie holen würde. Sie dachte nicht logisch. Sie wollte nicht zum Arzt, sie wollte nicht ins Krankenhaus. Und jetzt hatte sie begonnen, diese Krankheit als Rache einzusetzen. Er wusste keine andere Lösung. Das musste eine Ende nehmen.
»Du bist doch meine Freundin?«, sagte er und nahm ein Kopfkissen zur Hand.
»Was?«
»Ich bin jedenfalls immer noch dein Freund und werde es immer sein. Das musst du mir glauben. Ich tu das, weil ich dein Freund bin. Ich weiß, dass ich dir einen Gefallen damit tue.«
»Was meinst du eigentlich?«, fragte sie mit geschlossenen Augen.
Er presste das Kissen fest auf ihr Gesicht und drückte zu. Birta reagierte nicht gleich, aber dann schlug sie um sich, fuchtelte und strampelte mit Armen und Beinen. Als sie einen Versuch machte, sich aufzurichten, drückte er sie mit aller Kraft nieder. Nach kurzer Zeit wurde ihr Gestrampel weniger, sie hörte auf, um sich zu schlagen, und dann lag sie auf einmal ganz still da. Er hielt ihr das Kissen immer noch vors Gesicht, bis er sich überzeugt hatte, dass es genug war.
Er wusste, dass sie tot war, aber er spürte immer noch ihre Anwesenheit im Zimmer. Er spürte ihre Nähe. Er erinnerte sich, wie es war, zu sterben. Es gab kein Licht mehr, keine gleißende Helligkeit, keinen langen Gang und keine Wärme, nur kalte Finsternis, und dorthin hatte er Birta geschickt. Er richtete sich auf, drehte sich halb um und blickte zur Decke, als erwartete er, ihr Gesicht über sich zu sehen. Er sah nichts, spürte aber, dass sie bei ihm war.
»Verzeih mir«, sagte er und schaute nach oben.
Er blieb auf dem Bett sitzen, bis das Gefühl ihrer Nähe verschwunden war.
Erlendur hatte der Erzählung schweigend gelauscht. Janus sprach mit leiser Stimme und legte manchmal Pausen ein, setzte aber immer wieder neu an, bis er das gesagt hatte, was er sagen musste. Erlendur stand neben ihm und beobachtete, wie das Laub raschelnd und knisternd hin und her gefegt wurde.
»Todesrosen«, sagte Erlendur.
»Was?«, fragte Janus.
»Die Bäume tragen die Farben des Herbstes. Die Farbe des Todes.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Ich hab sie in eine Decke gewickelt, ins Auto gelegt und bin quer durch die Stadt hierher gefahren. Ich wollte, dass ihr sie findet, aber nicht zu Hause bei mir«, sagte Janus. »Ich war völlig außer mir. In der Nacht habe ich versucht, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich bin mit dem geklauten Auto zum Flughafen nach Keflavík, um euch auf eine falsche Fährte zu locken, und dann zu Fuß durch die Lavafelder zurück.«
»Du wolltest dich nicht mit der Polizei in Verbindung setzen?«
»Ich wollte Rache, glaube ich.
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