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TODESSAAT

TODESSAAT

Titel: TODESSAAT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Also kannst du dir vielleicht vorstellen, was mehr als hundert Kilo davon ausrichten! Falls dort etwas war, was wir als ›lebendig‹ bezeichnen können«, er zuckte die Achseln dabei, »dürfte es hinterher nicht mehr am Leben gewesen sein.«
    Während Harry berichtete, musterte ihn der Chef des E-Dezernats. Allerdings nicht so auffällig, dass er es bemerkte. Er schien noch genau der Gleiche zu sein wie vor einem Monat, als Clarke nach Edinburgh gekommen war. Dieser Besuch war für Clarke auf Rhodos zu Ende gewesen und für Harry in den transsilvanischen Karpaten. Er schien der Gleiche zu sein, aber möglicherweise täuschte das? Denn Darcy Clarke kannte jemanden, der behauptete, dem sei nicht so!
    Harry Keogh war eigentlich zwei Männer. In ihm vereinigten sich der Verstand des einen und der Körper eines anderen Mannes. Sein Verstand war sein eigener, und sein Körper hatte einst Alec Kyle gehört. Clarke hatte auch Kyle zu dessen Lebzeiten gut gekannt. Doch am eigenartigsten war Folgendes: Je länger Keogh den Körper Kyles ›bewohnte‹, desto mehr nahm sein Gesicht die Züge Keoghs an. Er wurde dem alten Harry immer ähnlicher, dessen eigener Körper tot war. Diese Dinge ließen Clarkes Kopf stets schwimmen, wenn er länger darüber nachdachte. Deshalb verdrängte er sie gern, ließ die metaphysische Seite außer Acht und beschäftigte sich lieber mit der rein physischen.
    Der Necroscope war etwa dreiundvierzig oder vierundvierzig Jahre alt, wirkte aber fünf Jahre jünger. Das betraf jedoch nur den Körper; der Geist darin war nochmals fünf Jahre jünger.
    Harry hatte honigbraune Augen, die mitunter zornig blitzten. Häufig blickte er treuherzig wie ein Welpe drein. Meist trug er allerdings eine Sonnenbrille, dazu einen breitkrempigen Hut im Stil der dreißiger Jahre. Clarke hasste diese Aufmachung, jedenfalls an Harry.
    In Harrys rostbraunem, naturgelocktem Haar wirkten die gleichmäßig verteilten grauen Strähnen wie gewollt. In wenigen Jahren würde das Grau vorherrschen, doch bereits jetzt verlieh es ihm etwas Distinguiertes. Er wirkte wie ein Gelehrter. Das war natürlich nicht der alte Harry. Wie der ausgesehen hatte? Wie ein Zauberer vielleicht? Nein ... einfach wie ein Necroscope, ein Mann, der mit den Toten zu sprechen vermochte.
    Keogh war einst ein wenig übergewichtig gewesen, was bei seiner Größe nicht weiter aufgefallen wäre. Doch Harry hasste so etwas und er hatte nach den Ereignissen im Schloss Bronnitsy seinen neuen Körper trainiert und abgenommen, bis dieser seinen Ansprüchen genügte. So wirkte er, als sei er erst siebenunddreißig oder achtunddreißig.
    Tief in seinem Innern war Harry unschuldig wie ein Kind. Zumindest war er es einmal gewesen. Er hatte nicht darum gebeten, zu werden, was er war, er hatte nicht die mächtigste Waffe des britischen E-Dezernats sein und all das tun wollen, was er getan hatte. Und nun? Konnte man ihn immer noch als unschuldig bezeichnen? Besaß er noch seine kindliche Seele? Hatte er überhaupt noch eine Seele? Oder war er besessen?
    Sie durchschritten den Bogengang unter dem Wachraum, in dem mehrere Polizeioffiziere eine Gruppe uniformierter Soldaten verhörte, und befanden sich in dem engen, gepflasterten Durchgang zur eigentlichen Burg. Allen diesen Polizisten schien klar zu sein, dass Clarke ein hohes Tier war, deshalb hielt niemand sie an.
    »Also gibt es für mich nichts mehr aufzuräumen?«, begann Darcy. »Du hast alles erledigt?«
    »Alles«, bestätigte Harry. »Was ist mit Janos‘ Organisation in der Ägäis?«
    »Aufgelöst«, sagte Darcy mit Nachdruck. »Vollständig! Aber ich habe trotzdem noch ein paar Männer drüben, nur für den Fall der Fälle.«
    Harry Gesicht war blass und ernst, doch er zwang sich zu einem eigenartig traurigen Lächeln. »Stimmt schon, Darcy«, sagte er. »Du musst immer für den Fall der Fälle vorbereitet sein. Keine unnötigen Risiken. Nicht bei so etwas.«
    In seinem Tonfall lag etwas Seltsames. Clarke sah ihn aus dem Augenwinkel an und musterte ihn unauffällig, als sie in den Schatten eines breiten Innenhofes traten, den von drei Seiten hoch aufragende Burggebäude umsäumten. »Willst du mir nicht erzählen, wie alles ablief?«
    »Nein.« Harry schüttelte den Kopf. »Vielleicht später mal. Vielleicht auch nicht.« Er wandte sich Clarke zu und sah ihm in die Augen. »Ein Vampir ist wie der andere. Was könnte ich dir schon berichten, was du nicht ohnehin schon weißt? Vor allem weißt du, wie man sie

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