Todesschrein
einem resignierten Ausdruck. Dann lächelte Hunt.
»Aha«, sagte er ruhig, »Sie haben mein schreckliches Geheimnis also aufgedeckt.«
Agnes nickte und faltete das Zelt um die Hälfte zusammen. »Nicht gerade die ideale Brutstätte für eine militärische Karriere.«
»George Bush war auch dort«, wehrte sich Hunt. »Er war Marineflieger.«
»Ich dachte, er war bei der Nationalgarde«, sagte Specialist Jesus Herrara, der das Zelt von Agnes übernahm.
»Ich meinte George Bush Senior«, sagte Hunt. »Unser Präsident hat ebenfalls in Yale studiert, und ja, er war Düsenpilot der Nationalgarde.«
»Yale«, sagte Agnes. »Wenn Sie die Frage gestatten, wie kommt es, dass es Sie ausgerechnet hierher verschlug?«
Hunt wischte sich Schneeflocken von der Brille. »Ich habe mich freiwillig gemeldet«, antwortete er, »genauso wie Sie.«
Agnes nickte.
»Und jetzt sollten wir endlich einpacken«, sagte Hunt und deutete auf den Berg vor ihnen, »und dort hinaufgehen und diesen Mistkerl suchen, der die Vereinigten Staaten angegriffen hat.«
»Jawohl, Sir«, riefen die Männer im Chor.
Zehn Minuten später, mit fünfzig Pfund schweren Lasten auf den Rücken, begannen sie mit dem Aufstieg.
In einer Stadt, in der es von schönen Frauen wimmelte, brachte Michelle Hunt mit neunundvierzig Jahren noch immer Männer dazu, sich nach ihr umzudrehen. Hoch gewachsen, mit braunem Haar und blaugrünen Augen, war sie mit einer Figur gesegnet, die weder einer ständigen Diät noch eines regelmäßigen sportlichen Trainings bedurfte, um fit und vollkommen zu erscheinen. Michelle Hunt hatte volle Lippen und wunderbare Zähne, doch es waren ihre Rehaugen und der makellose Teint, die den stärksten Eindruck hinterließen. Und obwohl sie insgesamt eine schöne Frau war, gehörte dies zu Südkalifornien wie der ewige Sonnenschein und die Erdbeben.
Was die Menschen zu Michelle hinzog, war etwas, das nicht mit dem Skalpell eines Schönheitschirurgen geschaffen oder durch Kleidung und Maniküre unterstrichen oder auch durch Ehrgeiz oder Wandlungsfähigkeit erzeugt werden konnte. Michelle verfügte über jene ganz besondere Ausstrahlung, die sowohl Männer als auch Frauen dazu brachte, sie zu mögen und in ihrer Nähe sein zu wollen – sie war glücklich, zufrieden und der Optimismus in Person. Michelle Hunt ruhte in sich selbst. Und die Menschen kamen zu ihr wie Bienen zu einer Blume, die in voller Blüte stand.
»Sana«, sagte sie zu dem Anstreicher, der soeben die Wände in ihrer Kunstgalerie mit frischer Farbe verschönt hatte, »Sie verstehen wirklich Ihr Handwerk.«
Sam war achtunddreißig Jahre alt und errötete.
»Für Sie ist das Beste gerade gut genug, Ms. Hunt«, gab er zurück.
Sam hatte die Galerie gestrichen, als sie vor fünf Jahren ihre Tore dort geöffnet hatte, desgleichen ihr Haus in Beverly Hills sowie ihre Ferienwohnung am Lake Tahoe. Und er hatte auch diese letzte Renovierung durchgeführt. Und jedes Mal hatte sie ihm das Gefühl gegeben, von ihr bewundert zu werden und großes Talent zu besitzen.
»Darf ich Ihnen ein Glas Wasser oder eine Cola anbieten?«, fragte sie.
»Ich bin wunschlos glücklich, danke.«
In diesem Augenblick meldete ihre Assistentin aus dem Ausstellungsraum der Galerie, jemand verlange sie am Telefon. Sie lächelte, winkte dem Handwerker zu und entfernte sich.
»Das ist eine Lady«, murmelte Sam, »eine wahre Lady.«
Während sie sich in den Ausstellungsraum begab, wo sie von ihrem Schreibtisch aus auf den Rodeo Drive hinausblicken konnte, bemerkte Michelle, dass einer der Künstler, die sie vertrat, gerade durch den Eingang hereinkam. Auch hier hatte sich ihre sprichwörtliche Liebenswürdigkeit reichlich ausgezahlt – Künstler sind eine empfindliche und launenhafte Spezies, doch Michelles Künstler beteten sie geradezu an und wechselten so gut wie nie die Galerie. Dies und die Tatsache, dass sie ihr Unternehmen mit einem beruhigenden finanziellen Polster begonnen hatte, waren im Wesentlichen die Gründe für die bisher erfolgreichen Jahre.
»Ich wusste, dies würde ein guter Tag sein«, begrüßte sie den bärtigen Mann. »Ich hatte nur keine Ahnung, dass der Grund dafür ein Besuch meines Lieblingskünstlers war.«
Der Mann lächelte.
»Ich will nur gerade dieses Telefongespräch annehmen«, sagte sie, »dann reden wir.«
Ihre Assistentin geleitete den Künstler zu einer Sitzgruppe mit Sofas und einer kleinen Bar. Während sich Michelle in ihren Schreibtischsessel sinken ließ und
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