Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)
arme Kerl hat schon genug durchgemacht.« Leonard trat einen Schritt zurück, zog seine 45er und zielte damit auf den Mann. Aber bevor er abdrücken konnte, stieß Ernie ihn beiseite und zündete ein ganzes Streichholzheftchen an.
»Dann mach ich es eben.«
»Ernie, hör auf!«
Aber der Bruder warf das Heftchen mit einer lässigen Handbewegung von sich, wie ein Würfelspieler an einem Spieltisch. Es machte
wusch
, als das Benzin Feuer fing – ein Geräusch, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Der brennende FBI-Agent riss den Kopf nach hinten und brüllte wie am Spieß.
Leonard zielte ein zweites Mal mit der Pistole auf ihn, aber Ernie packte seinen Bruder und zerrte ihn zur Tür.
Es war ohnehin schon zu spät. Die beiden Brüder verließen fluchtartig das flammende Inferno und rannten zu ihrem Bronco. Leonard setzte sich hinters Steuer, Ernie aber blieb im Regen stehen und starrte auf das Feuer, bis es ihm zu heiß wurde und er sich ebenfalls in den Wagen setzte.
Leonard wollte etwas sagen, doch Ernie ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. »Du liegst falsch«, sagte er. Seine Augen leuchteten im Schein der Flammen. »Es geht immer um Rache.«
KAPITEL 1
Nathan Daniel McBride lag in seinem Zimmer im Crowne Plaza Hotel in San Diego auf dem Bett und starrte an die Decke. Er stieß einen Seufzer aus und fuhr mit der Hand über die drei tiefen Narben in seinem Gesicht – Andenken an eine andere Zeit und eine andere Welt. Die längste davon begann am linken Ohr und zog sich über die Wange bis zur Kinnspitze hin. Eine andere verlief diagonal von der oberen Stirn über die Nase zur linken Wange. Die dritte Narbe – die weitaus schlimmste – beschrieb einen Bogen von der Schläfe bis zum Kinn. Wirklich eine nette Geste, dachte er sarkastisch. Nathan war über 1,90 m groß, wog knapp unter 110 Kilo und hielt sich in Topform. Sein fünfundvierzigster Geburtstag stand kurz bevor.
Er wandte sich der jungen Frau zu, die neben ihm lag. Anders als Nathan hatte Mara eine makellose Haut. Ihre hübschen braunen Augen und die schwarzen Haare rundeten ihre sportliche Figur perfekt ab. Mara war Mitte zwanzig und sah einfach blendend aus. Aber was Nathan am meisten an ihr mochte, war die Tatsache, dass sie nur selten die stillen Augenblicke zwischen ihnen unterbrach.
»Hab ich mich eigentlich jemals bei dir bedankt?«
Sie schlang ein Bein um seine Hüften. »Dich bei mir bedankt? Ich bin diejenige, die sich bedanken muss. Du bist nicht wie die anderen.«
Die anderen. Die Worte trafen ihn wie eine Ohrfeige. Es war einfach bequem, wenn man sich etwas vormachte. Mara war eine Prostituierte und er war ein Freier.
Einer
von ihren Freiern, verbesserte er sich in Gedanken. Zugegeben, sie sahen sich seit nunmehr acht Monaten zweimal die Woche, aber was für eine Beziehung war das? Leer und ohne Perspektiven. Sie war so schön und er war … was? Machten ihn die Narben hässlich? Oder was war mit den anderen Dingen, zum Beispiel mit seiner früheren Tätigkeit? Er fragte sich, wie anders sein Leben verlaufen wäre, wenn er nicht zu den Marines gegangen wäre. Hätte er jetzt Frau und Kinder? Ein Zuhause? Nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ein richtiges Zuhause, einen Ort, wo er sich aufgehoben fühlte? Aber diese Überlegungen waren müßig. Gleich nach dem College hatte er sich bei den Marines verpflichtet und dort ein Talent entdeckt, das bis zu diesem Zeitpunkt verborgen in ihm geschlummert hatte. Er konnte gut schießen und es dauerte nicht lange, bis seine Vorgesetzten darauf aufmerksam wurden. Die nächsten sieben Jahre diente er in der Scharfschützeneinheit des US Marine Corps, bis ihn schließlich die CIA rekrutierte.
Es war jetzt mehr als zehn Jahre her, dass seine Laufbahn nach einem fehlgeschlagenen Einsatz ein abruptes Ende genommen hatte. McBride war damals in Nicaragua einem sadistischen Verhörspezialisten in die Hände gefallen und machte drei Wochen lang die reine Hölle durch. Der Mann hatte ihn mit dem Messer bearbeitet wie einen Truthahn an Thanksgiving. Unzählige Narben zierten noch immer seinen Oberkörper, dessen Oberfläche an einen geflochtenen Weidenkorb erinnerte. Zuletzt hatte sein Peiniger ihn in einen engen Käfig gesperrt, wo er tagelang stehend ausharren musste. Nach vier Tagen und Nächten, in denen er weder etwas zu trinken noch zu essen bekam, hatten ihn die Schmerzen in seinen Beinen an den Rand des Wahnsinns getrieben. Obendrein hatten sich die Narben
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