Todesschuss - Ein Nathan-McBride-Thriller (German Edition)
bremste hart vor der nächsten Abbiegung. Eine halbe Minute später parkte er den Wagen etwa fünfzig Meter nördlich von Karens Haus und ließ den Motor laufen. Nach dieser harten Beanspruchung musste er erst einmal abkühlen.
»Bleib hier und mach in ein paar Minuten den Motor aus.« Er griff an Mara vorbei zum Handschuhfach und holte seine Sig Sauer P226 Kaliber 9 mm heraus. Beim Aussteigen lud er durch, ließ ein Hohlspitzgeschoss in die Kammer gleiten und schob die Pistole hinter seinem Rücken in den Bund seiner Jeans. Dann sprintete er den Gehsteig entlang. Ein paar Häuser weiter bellte ein Hund dreimal, ehe er wieder verstummte. Im orangefarbenen Lichtkegel der Straßenlaterne sahen die fast mannshohen Recycling-Container wie Wachposten aus.
In Karens Einfahrt parkte ein geländegängiger Pick-up – eins von diesen aufgemotzten Dingern mit übergroßen Reifen und einem auf das Dach des Fahrerhauses montierten Überrollbügel mit Scheinwerfern. Nathan schüttelte den Kopf. Alles an diesem Fahrzeug wirkte aufgeblasen und außer Kontrolle, genau wie der Besitzer. Er betrat Karens Grundstück und hielt inne. Dann pressteer ein Ohr an ein dunkles Fenster, konnte aber weder Musik noch irgendwelche Geräusche wahrnehmen, die auf einen Kampf hindeuteten. Nichts.
Nathan begab sich in den Teil des Gartens, der seitlich des Hauses lag, und öffnete leise das Gartentor. Er schlich zum Haus und spähte über einen Blumenkasten mit Kakteen. Karen hatte die Arme um ihren Körper geschlungen, offenbar fror sie in der feuchtkalten Luft. Nathan pfiff leise wie ein Vogel, worauf sie zu ihm eilte.
»Was ist los?«
»Er ist drinnen mit Cindy.«
»Wo genau?«
»Ich weiß nicht.«
»Hat er ihr wehgetan?«
»Ich weiß nicht!«
»Mein Mustang steht ganz in der Nähe.«
»Ich kann doch Cindy nicht einfach alleinlassen.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Nathan …«
»Bitte, Karen, geh jetzt.«
Wut machte sich in Nathan breit, als er sich vorstellte, wie der Kerl Cindy misshandelte. Das Adrenalin schoss durch seine Adern und er verlor beinahe die Kontrolle. Er schloss die Augen, atmete langsamer und lockerte seine Hände. Als er sich wieder beruhigt hatte, zog er sein Hemd aus und ließ es auf die Veranda fallen. Er wollte seinem Gegner keine Gelegenheit geben, ihn am Stoff zu packen.
Nathan zog die Pistole und schlich vorsichtig an der hinteren Hauswand entlang. Bei jedem dunklen Fenster blieb er stehen und lauschte. Es war überall still. Nicht das geringste Geräusch. Er zwängte sich durch die vielen Blumentöpfe mit Pflanzen und die Gartenmöbel hindurch und erreichte die Glasschiebetür. Als er drinnen keine Bewegung wahrnahm, trat er lautlos ein.
Er hörte es sofort. Weiter hinten im Flur drang eine Männerstimme gedämpft aus einem Zimmer.
Erneut durchflutete ihn Adrenalin, aber diesmal hatte er sich unter Kontrolle. Ein Lächeln spielte um seine Lippen. Nathan McBride war ganz in seinem Element.
Doch das Lächeln verschwand sofort wieder, als er ein unverwechselbares Geräusch hörte – eine Hand, die auf menschliche Haut schlug. Nathan trat die Tür ein. Cindy kauerte in voller Bekleidung und mit angezogenen Beinen in einer Ecke auf dem Boden. Ihre linke Gesichtshälfte sah aus, als wäre sie gerade geschlagen worden.
Der Mann, der über sie gebeugt vor ihr stand, fuhr herum und kniff die Augen zusammen. »Du schon wieder!«
»Ja, ich schon wieder.«
Wie Nathan noch in Erinnerung hatte, war der Kerl ein muskelbepackter Schrank, ein paar Zentimeter größer als er. Mit seinem rasierten Schädel und dem v-förmigen Oberkörper sah er wie ein typischer Türsteher aus. Auf andere Leute mochte er vielleicht einschüchternd wirken, aber für Nathan war er nichts weiter als ein Fleischberg mit Amphibiengehirn.
Nathan machte einen Schritt nach vorne und verpasste dem Kerl mit der freien Hand eine schallende Ohrfeige. Dann wich er zurück und wartete auf die vorhersehbare Reaktion.
Der Typ sah Nathan in die Augen, bevor sein Blick auf die Pistole fiel. Dann starrte er wieder Nathan an.
»Was, das da?« Nathan warf die Sig Sauer auf den Teppich, direkt vor die Füße des Mannes.
Der Kerl sah verwirrt drein und senkte den Blick. Dabei fuhr er sich unbewusst mit Daumen und Zeigefinger über die Nase. Ein Kokser.
Wenn der Typ auch nur über ein klein wenig Realitätssinn verfügt hätte, hätte er auf der Stelle aufgegeben. Schließlich sah er sich einem Gegner mit freiem Oberkörper gegenüber, dessen
Weitere Kostenlose Bücher