Todesspiele
meine, jetzt. Sie ist auch da, im Krankenhaus.«
»Mein Gott, ist sie etwa auch verletzt?« »Nein, Mama. Sie ist möglicherweise bei einer anderen Patientin, die auch verletzt wurde.«
»Aber Daniel ist doch ihr Bruder.« In die Stimme seiner Mutter schlich sich Empörung. »Ihr Platz ist hier.« Luke dachte an Susannahs Miene, als sie zugesehen hatte, wie man Daniel in den Hubschrauber geschoben hatte. Sie hatte innerlich zerrissen, verängstigt und unendlich einsam gewirkt.
»Es ist ein bisschen komplizierter, Mama.« »Kompliziert! Was soll denn daran komp... oh, Moment.« Ihre Verärgerung verwandelte sich in Zustimmung. »Alex sagt mir gerade, dass sie in der Kapelle ist. Das ist gut.« Luke zog unwillkürlich die Brauen hoch. Irgendwie konnte er sich Susannah nicht in der Kapelle vorstellen. »Bitte informiere sie über Daniel, ja?«
»Natürlich, Lukamou«, sagte sie sanft, und der Kosename war Balsam auf seiner Seele.
»Danke, Mama.« Luke steckte das Handy zurück in die Tasche, straffte die Schultern und betrat den Bunker. Eine drückende Stille hing über dem Ort und wurde nur hin und wieder von einer gedämpften Stimme unterbrochen. Die Flure waren dunkel, aber die Zellen, in denen die Spurensicherung arbeitete, waren grell ausgeleuchtet. Ed Randalls Leute erledigten ihre Arbeit effizient wie immer. Luke sah im Vorübergehen in jede Zelle, und erneut machte sich beim Anblick der fünf toten Mädchen eine Eiseskälte in seinen Eingeweiden breit. Die Gerichtsmedizin hatte Tüten über ihre Hände und Füße gezogen, und neben jeder Toten lag ein gefalteter Leichensack. Sieh nicht hin. Aber das würde er sich nicht zugestehen. Er war zwar nicht rechtzeitig gekommen, um sie zu retten, aber sie brauchten ihn dennoch. Wer waren sie? Wie waren sie hergekommen? Waren sie vor kurzem entführt worden oder wie Angel schon lange vor ihrer Ankunft hier Opfer gewesen?
Luke fand den Techniker der Gerichtsmedizin über eine der Toten gebeugt. Er war offenbar gerade dabei, die Hände zu verpacken. Plötzlich hörte Luke ein unterdrücktes Schluchzen, das in der Stille herzzerreißend klang. »Malcolm?«, fragte er leise.
Malcolm Zuckerman verharrte mitten in der Bewegung, dann legte er die Hand des Mädchens behutsam an ihre Seite. Als er aufblickte, sah Luke Tränen in seinen Augen. »Ich habe in diesem Job schon verdammt viel Schlimmes gesehen, Papa, aber so was ... so was noch nie. Sie wiegt keine vierzig Kilo mehr. Ihr Haar geht ihr in Büscheln aus.« Er musste abbrechen und sich fassen. »Wer das getan hat, kann nicht mehr als Mensch bezeichnet werden.« Luke nickte. Er hatte solche Opfer schon viel zu oft gesehen und war viel zu oft zu derselben Schlussfolgerung gekommen. »Hast du die Fingerabdrücke genommen?« »Ja. Trey ist damit schon ins Labor gefahren. Er bringt die fünf toten Männer ins Leichenschauhaus.« Malcolms Lächeln war verbittert. »Wir haben gelost, und er hat gewonnen.«
»Schwein gehabt. Wir geben die Abdrücke ein und hoffen, dass wir etwas finden.« Das NCMEC, das National Center for Missing and Exploited Children, war eine Datenbank, in der die Fingerabdrücke vermisster Kinder zu finden waren - wenn die Eltern daran gedacht hatten, ihre Kinder registrieren zu lassen. Die meisten Eltern, die von der Datenbank erfuhren, waren begeistert von dieser Möglichkeit, gaben die Fingerabdrücke ihre Kinder dann aber aus verschiedenen Gründen doch nicht ab. Luke hatte dafür gesorgt, dass die sechs Kinder seiner Schwester Demi registriert waren. Das war das Mindeste, was er tun konnte, um seine Familie zu beschützen. »Ja, hoffentlich. Wann können wir sie hinausbringen?« »Spätestens in einer Stunde. Nachdem Chase die Presse informiert hat.«
Malcolm schnaubte, nun wieder ganz der Alte. »Chase wird langsam prominent. Das muss doch - die wievielte? - die dritte Konferenz in dieser Woche sein?«
»Die vierte sogar. Vorher ging es hauptsächlich um den O'Brien-Fall.«
Malcolm schüttelte den Kopf. »Verdammt elende Woche.«
»Wohl wahr. Ich sag dir Bescheid, wenn wir die Toten transportieren dürfen.«
»Luke?«, erklang in diesem Moment Ed Randalls gedämpfte Stimme. »Komm mal her. Schnell.« Luke fand den Leiter der Spurensicherung in der Hocke neben einem Pritschengestell. Die Matratze befand sich auf einer Plastikfolie, die auf dem Boden lag. »Was ist denn?«
Ed sah auf. Seine Augen funkelten. »Ein Name, zumindest ein Teil davon. Sieh's dir an.«
»Ein Name?« Luke hockte
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