Todesspiele
dir. Bist du es nicht auch dir schuldig, Susannah?
»Ja«, murmelte sie. »Auch mir.« Ihrem Selbstrespekt. Ich muss mich wieder im Spiegel ansehen können. »Entschuldigung. Darf ich mich hersetzen?« Susannah blicke auf und sah eine große Frau mit dunklem Haar und einem eindringlichen Blick, deren Handtasche die Größe von Susannahs Aktenkoffer hatte. Die Kapelle war bis auf sie beide leer, es gab genügend andere Sitzplätze. Susannah wollte gerade nein sagen, als etwas im Blick der Frau sie innehalten ließ. Vielleicht braucht sie Gesellschaft, dachte Susannah, während sie nickte. Der Duft nach Pfirsichen kitzelte Susannah in der Nase, als die Frau sich setzte und ihre Tasche auf dem Schoß abstellte. Ich kenne sie. Sie war der Frau schon einmal begegnet.
»Sind Sie katholisch?«, fragte die Frau. Sie sprach mit schwerem Akzent, und in ihrer Stimme lag Überraschung.
Susannah folgte ihrem Blick, der auf den Rosenkranz in ihrer Hand gerichtet war. »Ja.« Gegen den Willen ihrer Eltern, weswegen sie überhaupt konvertiert war. »Ich habe den Rosenkranz dort drüben am Altar gefunden. Ich dachte mir, dass wohl niemand was dagegen hat, wenn ich ihn benutze.«
»Sie können einen von mir nehmen«, sagte die Frau und wühlte bereits in ihrer ausladenden Tasche. »Ich habe immer zwei dabei. Für alle Fälle.« Sie kam aus Europa. Aus dem Osten oder ... aus Griechenland. Okay. Nun verstand sie.
»Sie sind Mrs. Papadopoulos«, murmelte Susannah. Lukes Mutter. »Sie waren auf der Beerdigung meiner Eltern.« »Ja, das stimmt.« Sie nahm Susannah den geliehenen Rosenkranz aus der Hand und ersetzte ihn durch ihren eigenen. »Nennen Sie mich Mama Papa. Das tun alle.« Susannahs Mundwinkel hob sich unwillkürlich. Irgendwie war sie sich sicher, dass diese Frau kein Nein akzeptierte. »Danke.«
»Gern geschehen.« Mrs. Papadopoulos holte einen weiteren Rosenkranz aus der Tasche und begann zu beten. »Beten Sie nicht für Ihren Bruder?«, fragte sie unvermittelt. Susannah senkte den Blick. »Doch, natürlich.« Aber das hatte sie nicht getan, nicht wirklich. Sie hatte um Kraft gebetet zu tun, was sie tun musste.
»Daniel ist außer Gefahr«, sagte Mrs. Papadopoulos. »Er wird wieder ganz gesund.«
Danke. Ihr Herz flüsterte das Gebet, das ihr Verstand nicht über die Lippen brachte. »Danke«, murmelte sie, als sie den Blick der Frau spürte.
»Kompliziert«, murmelte die Frau schließlich. »Warum sind Sie wirklich hier, Susannah?«
Susannah legte die Stirn in Falten. Das ging allerdings ein wenig zu weit. »Weil es hier ruhig ist. Ich musste nachdenken.«
»Worüber?«
Sie sah auf. Ihr Blick war kühl. »Ich denke, das ist nicht Ihre Sache, Mrs.Papadopoulos.«
Sie erwartete, dass die Frau sich zurückgewiesen fühlen würde, aber stattdessen lächelte die andere. »Ich weiß. Ich frage trotzdem. Daniel gehört für mich zur Familie. Sie gehören zu Daniels Familie.« Sie zuckte mit den Schultern. »Also frage ich nach.«
Plötzlich brannten Tränen in Susannahs Augen, und sie senkte hastig den Blick. Ihre Kehle verengte sich, aber die Worte schienen hinauszuwollen. »Ich stehe an einem Scheideweg.«
»Das Leben ist voller Scheidewege.«
»Ja, weiß ich. Aber dieser hier ist bedeutend.« Hier geht es um mein Lehen, meiner Karriere. Meine Träume.
Mrs.Papadopoulos schien einen Moment nachzudenken.
»Sind Sie deswegen in die Kirche gegangen?«
»Nein. Eigentlich bin ich hergekommen, weil es hier ruhig war.« Sie war hierhin geflüchtet, wie sie es schon einmal getan hatte. Damals, als sie eine derart verachtenswerte Tat begangen hatte ...
Sie hatte sich damals so sehr verabscheut, dass sie es nicht einmal einem Priester hatte beichten können. Dennoch hatte sie sich in eine Kirche zurückgezogen und irgendwie die Kraft gefunden, ihr Leben fortzusetzen. Heute würde sie das Richtige tun. Dieses Mal würde es kein Zurück geben. Dieses Mal würde sie sich den Respekt vor sich selbst zurückholen.
Lukes Mutter blickte auf den Rosenkranz in Susannahs Händen. »Und Sie haben Frieden gefunden.« »Soweit ich ...« Es verdiene. »... es erwarten kann.« Sie hatte eher Kraft als Frieden gefunden, und Kraft war es, die sie brauchte.
»Als ich eben eintrat, dachte ich, Sie seien Ärztin.« Lukes Mutter zupfte an ihrem Kittel. »Was ist mit Ihren Kleidern passiert?«
»Völlig ruiniert. Eine der Krankenschwestern hat mir das hier geliehen, bis ich mir etwas zum Anziehen besorgen kann.«
Mrs.Papadopoulos packte
Weitere Kostenlose Bücher