Todesstatte
ihrem Tod beharrlich aneinandergeklammert.
»Ãbrigens, ich habe sie Jane Raven getauft«, sagte Lee. »Jane wie in Jane Doe, der Durchschnittsbürgerin, Raven nach dem Ort, an dem sie gefunden wurde. Das stimmt doch, oder?«
»Ja, im Ravensdale-Tal in der Nähe von Litton Foot.«
»Abgesehen von den grundlegenden Fakten und ein paar MaÃen, ist das alles, was ich von ihr weiÃ. Ich mag es nämlich nicht, wenn eine Person völlig anonym bleibt. Es ist einfacher, ein Gesicht zu interpretieren, wenn ich der Person einen Namen gebe.«
»Ich weiÃ, was Sie meinen.«
»Also habe ich sie Jane Raven Lee getauft. Dann kann ich mir vorstellen, sie wäre meine Schwester. Das hilft mir, die Details zu entwerfen, wissen Sie.« Lee lächelte, als er die Augenbrauen hochzog. »Meine englische Halbschwester natürlich.«
Cooper blickte auf die Akte, die er sich unter den Arm geklemmt hatte. Sie enthielt eine Kopie des Berichts des forensischen Anthropologen, in dem der Toten eine Referenznummer zugeteilt worden war. Das war ihre biologische Identität â alles, was offiziell über die Person bekannt war, die sie einst gewesen war. Eine Frau kaukasischer Abstammung, vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt, einen Meter siebzig groÃ. Der Zustand ihrer Zähne lieà erkennen, dass sie regelmäÃig zum Zahnarzt gegangen war. Irgendwo mussten nützliche Aufzeichnungen darüber existieren, welche Zahnbehandlungen sie gehabt hatte â wenn er nur gewusst hätte, an welche Praxis er sich wenden sollte.
Doch vielleicht war es der Hinweis auf die Breite ihrer Schultern, der ihm zu seinem mentalen Bild von der Toten verholfen hatte. Er stellte sich Schultern vor, wie man sie für gewöhnlich mit Schwimmerinnen assoziierte. Mit fünfundvierzig Jahren, nach mindestens einer Schwangerschaft, waren ihre Muskeln vermutlich ein wenig schlaff geworden, ganz egal, wie sehr sie auf ihr ÃuÃeres geachtet hatte. Vielleicht war sie üppig gebaut gewesen, als sie noch am Leben war. Ein properes Mädchen, hätte seine Mutter gesagt.
»Die Gesichtsrekonstruktion ist noch immer ebenso sehr eine Kunst wie eine Wissenschaft«, sagte Lee. »Die Form des Gesichts hat nur eine begrenzte Ãhnlichkeit mit der darunterliegenden Knochenstruktur. Eine exakte Ãbereinstimmung erreicht man nie.«
Cooper nickte. Eine Rekonstruktion konnte zwar nicht als Beweis zur Identifizierung herangezogen werden, funktionierte jedoch als Stimulus für das Gedächtnis. Die Genauigkeit der Nachbildung war unter Umständen weniger wichtig als die Tatsache, dass sie die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen und das Interesse der Bevölkerung zu wecken vermochte. Die Identität musste durch Zahnbehandlungsdaten oder durch DNA bestätigt werden.
»Die Erfolgsquote beträgt fünfzig Prozent«, sagte Lee. »Vielleicht haben Sie ja Glück.«
Cooper lieà sich mehrere Fotos von ihr geben und fügte sie der Akte hinzu, die sich sofort dicker und gehaltvoller anfühlte. Referenznummer DE05092005, auch bekannt als Jane Raven Lee, einen Meter siebzig groÃ, mit Schultern wie eine Schwimmerin. Ein properes Mädchen.
»Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen«, sagte er.
Lee lächelte ihn noch einmal an. »Viel Glück.«
Doch als Cooper das Labor verlieà und in den Nieselregen von Sheffield hinausging, fragte er sich, ob er sich nicht zu viel Fleisch an der unidentifizierten Frau vorstellte. Vielleicht war das eine emotionale Reaktion, um das zu kompensieren, was er tatsächlich von ihr gesehen hatte: jene letzten Hautfetzen auf den verblichenen Knochen.
Zumindest stand jetzt ihre biologische Identität fest. Der Anthropologe und die forensische Rekonstrukteurin hatten die Verantwortung an ihn zurückgegeben. Er musste herausfinden, wer Jane Raven tatsächlich gewesen war.
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Fünfundzwanzig Meilen entfernt, im Zentrum von Edendale, war Sandra Birley stehen geblieben, um zu lauschen. Hatte sie gerade Schritte gehört? Und wenn ja, wie nahe waren sie?
Sie drehte langsam den Kopf. Hallende Räume, ölbefleckter Beton. Eine Reihe von Pfeilern und Maschendraht in den Lücken dazwischen, durch die sie sich in die Tiefe hätte stürzen können. Ein Lichtschimmer in einem der Fenster des Bürogebäudes auf der anderen StraÃenseite. Aber keine Bewegung, zumindest nicht auf dieser
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