Todesstatte
vielleicht verstehen. Sobald sie gehen und sprechen und selbstständig ihr Geschäft verrichten konnten, hatte er kein Problem mit Kindern. Doch Babys machten ihn ein wenig nervös.
Im Wohnzimmer forderte Mrs. Gill ihn auf, sich in einen der Sessel zu setzen, obwohl er ihr sagte, dass er nicht lange bleiben könne.
»Mrs. Gill, ich weià nicht, ob Sie heute schon mit Ellen Walker gesprochen haben â¦Â«
»Ich habe gestern Abend mit Ellen gesprochen. Sie hat irgendwas von einem Foto in der Zeitung erzählt. Von einem Kunstwerk oder so.«
»Von einer Gesichtsrekonstruktion, ja.«
»Ich habe das für Blödsinn gehalten.«
»Haben Sie das Foto gesehen?«
»Nein. Ich bekomme die Abendzeitung nicht.«
Cooper blickte zum Fenster hinaus und sah, wie ein Mann aus einem Haus gegenüber die StraÃe beobachtete. Vielleicht war das der Grund, weshalb Mrs. Gill darauf bestanden hatte, dass er sich hinsetzte. Damit ihn neugierige Nachbarn nicht sehen konnten. Ansonsten wirkte sie nicht besonders gastfreundlich. Doch sie wohnte schlieÃlich in der Devonshire-Siedlung, wo die Anwohner darin geübt waren, Polizisten zu erkennen, auch ohne Uniform.
»Es wurde auch in den Fernsehnachrichten gezeigt«, sagte er.
»Ich muss mich um das Kind kümmern. Ich kann nicht die ganze Zeit fernsehen.«
»Darf ich Ihnen einen Abzug des Fotos zeigen?«
Mrs. Gill warf einen kurzen Blick auf das Foto, das er ihr reichte, hielt es ins Licht und legte es dann wieder hin, um ihre Brille aufzusetzen. »Das sieht nicht aus wie ein Mensch«, stellte sie fest. »Das ist nur ein bemaltes Tonmodell.«
»Hat es irgendeine Ãhnlichkeit mit Ihrer Tochter?«
»Nein. Das ist Blödsinn.«
Sie gab ihm das Foto mit einer abweisenden Geste zurück. Doch Cooper bemerkte, dass ihre Hand ein wenig zitterte. Das Baby weinte und war kurz davor loszuschreien, aber Mrs. Gill ignorierte es.
»Was ist mit diesen Kleidungsstücken?«, erkundigte sich Cooper vorsichtig. »Ich bedauere ihren Zustand. Kommen sie Ihnen irgendwie bekannt vor?«
Mrs. Gill würdigte den zweiten Satz Fotos kaum eines Blickes. Sie waren in der Leichenhalle entstanden, nachdem die Kleidungsreste entfernt und auf einem Tisch ausgebreitet worden waren. Die Stofffetzen waren fleckig und teilweise verrottet, und sie hatten trotz der grellen Leichenhallenbeleuchtung etwas Schmuddeliges an sich.
Die alte Frau wurde blass, schüttelte jedoch den Kopf, wenn auch vielleicht ein wenig zu energisch.
»Nein, die kommen mir überhaupt nicht bekannt vor.«
»Noch eine Sache«, sagte Cooper, »dann lasse ich Sie in Ruhe. Könnten Sie mir sagen, zu welchem Arzt Ihre Tochter gegangen ist?«
Mrs. Gill stieà einen hörbaren Seufzer der Erleichterung aus. Jetzt bewegte sie sich auf sichererem Terrain, und sie fragte nicht nach, weshalb Cooper solche Informationen haben wollte.
»Arzt? Na ja, zum selben wie ich. In die Crown House Surgery hier in Edendale.«
»Und zu welchem Zahnarzt?«
»Moorhouse in Bargate. Er gehört zum National Health Service, also muss man alle sechs Monate zur Kontrolle hin, sonst fliegt man aus seiner Kartei raus.«
Cooper lächelte, als er die Fotos einsammelte. »Ich wette, sie hat auch regelmäÃig Sport gemacht.«
Mrs. Gill stand da, sah zum Fenster hinaus und wartete darauf, dass er ging.
»Sie ist, so oft sie konnte, zum Schwimmen gegangen«, sagte sie. »Als junges Mädchen hat sie sogar an Wettkämpfen teilgenommen. Ihr Bruder war früher auch ein guter Schwimmer â das ist sein Kind, um das ich mich kümmere.«
»Audrey hat auch eine Schwester, nicht wahr?«
»Ach, sie . Sie wohnt nicht mehr hier in der Gegend.« Irgendetwas an der Art und Weise, wie Mrs. Gill »sie« sagte, als dürfe der Name nicht ausgesprochen werden, erinnerte Cooper an Tom Jarvis. Doch Jarvisâ Tonfall hatte barsche Zuneigung verraten, als er seine Frau erwähnt hatte. In Mrs. Gills Stimme war keine Zuneigung zu entdecken, als sie von ihrer Tochter sprach.
»Hat es in der Familie einen Bruch gegeben?«
»Hm?«
»Sie haben sich mit Ihrer Tochter zerstritten?«
»Wir sehen uns nicht mehr so oft, seit sie wieder geheiratet hat. Ich traue ihrem neuen Ehemann nicht. Eine Katze lässt nicht so einfach das Mausen â ganz egal, was sie sagt.«
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Cooper blieb vor seinem Treffen mit
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