Todesstoß / Thriller
gern übernommen hatte, seit Eves auffällige Narbe verschwunden war.
Und du? Bist du etwa besser als Jack?
Er hatte dagesessen und zugesehen.
Ich bin ein Dummkopf.
Bewusst drehte er sich zur Theke um. Ihr Blick war ruhig, als er sich näherte, aber er sah ihren Puls in der Kuhle unter dem Lederhalsband pochen und wusste, dass er sich nicht getäuscht hatte, als er bei seinem Eintreffen Begierde in ihrem Blick zu sehen geglaubt hatte. Er hob den Kaffeebecher leicht an. Eine Millionen Sätze, die er gern gesagt hätte, rauschten durch seinen Kopf. Am Ende sagte er das Einzige, das einen Sinn ergab.
»Danke.«
Sie nickte und schluckte hart. »Es ist ja nur ein Kaffee, Detective.«
Aber es war mehr als das. Sie war ein guter Mensch, und er hatte in den vergangenen Monaten viele Beweise dafür sammeln können, hauptsächlich dann, wenn sie geglaubt hatte, dass niemand sie sah. Aber er hatte sie gesehen.
Mach kehrt und verschwinde.
Aber weder sagte er etwas noch wandte er sich ab. Sein Blick glitt zu ihren Händen. Ihre Linke umfasste die Rechte. Eine gezackte Narbe lief um ihren Daumen und verschwand im Ärmel des schwarzen Pullovers, dessen Ausschnitt nicht besonders tief, aber doch tief genug war, um Blicke anzuziehen. Und Wünsche zu wecken.
Langsam legte sie beide Hände auf die Theke, wie um ihm klarzumachen, dass es hier nichts zu sehen gab. Aber wieder sah er in ihren Augen ein kurzes Aufflackern, und er glaubte Sehnsucht zu erkennen, so stark, dass es ihm einen Augenblick lang den Atem raubte. Doch schon hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Passen Sie auf sich auf, Detective«, sagte sie leise.
Er tippte sich an die Krempe seines Hutes. »Und Sie auf sich.«
Und leben Sie wohl.
Noah nahm einen Schluck von dem brühend heißen Kaffee, während er auf seinen Wagen zuging. Trotz des Zuckers hatte er einen bitteren Geschmack auf der Zunge.
Tu endlich etwas oder lass es ganz bleiben.
Letzteres. Lange hatte er sich an den Glauben klammern können, dass er nur sich selbst wehtat, wenn er ins Sal’s ging, um sie zu sehen. Aber heute hatte sie ihm gezeigt, dass sie sich für ihn interessierte.
Er musste sich abwenden, bevor er ihr wehtat. Was immer sie in ihrem Leben schon durchgemacht hatte, es war schlimm gewesen.
Ich werde es nicht noch schlimmer machen, indem ich sie mit mir in den Abgrund ziehe.
Sonntag, 21. Februar, 19.15 Uhr
Lindsay Barkley wachte schreiend auf. Hunde. Knurrende, zähnefletschende Hunde.
Lauf.
Aber sie konnte nicht laufen. Sie war gefesselt und konnte nicht laufen. Sie hatten sie erreicht, fielen über sie her, ihre Fänge schlugen in ihr Fleisch …
Sie schrie, und die schrecklichen Zähne verschwanden. Das Knurren verstummte.
Ein Traum.
Keuchend schnappte sie nach Luft.
Es war nur ein böser Traum.
Ein Alptraum, dachte sie, als sie langsam wieder zu sich kam. Sie versuchte, sich zu bewegen, und das Entsetzen kehrte mit betäubender Macht zurück.
Das ist kein Alptraum.
Das Bett, an das sie festgebunden war, war echt, genau wie der dunkle Raum. Stricke schnitten ihr in Hand- und Fußgelenke. Die Luft war trocken. Ihr Mund fühlte sich so ausgedörrt an, als hätte sie Kreide geschluckt, und das Kissen unter ihr roch nach Schweiß und Erbrochenem. Ihre Augen brannten höllisch.
Sie versuchte zu blinzeln, aber ihre Augen starrten einfach nur in die Finsternis. Die Lider waren festgeklebt. Sie war nackt. Und sie fror.
Nein. Das kann nicht wirklich geschehen.
»Hilfe.« Was in ihrem Geist wie ein schriller Schrei klang, drang als heiseres Wispern aus ihrer Kehle. Trocken. Ihr Hals war zu trocken zum Schreien.
Er wird mich umbringen.
Nein. Ich kann entkommen. Denk nach. Denk schon nach.
Sie erinnerte sich noch, dass sie in den Fußraum der Rückbank seines SUV gestoßen worden war, dann an das Pieksen einer Nadel an ihrem Hals.
Dabei hatte er so … so aufrichtig gewirkt. So nett. Und vertrauenswürdig. Normalerweise setzte sie sich nicht zu ihren Freiern ins Auto, aber es war so kalt draußen gewesen.
Mir ist so kalt. Bitte hilf mir doch jemand.
Er hatte gesagt, dass er sie irgendwo hinbringen wollte, wo es warm war. Und angenehm. Aber er hatte gelogen. Er war an den Straßenrand gefahren, hatte ihr eine Waffe an die Schläfe gehalten und sie nach hinten gezerrt. Dann hatte er ihr eine Spritze gegeben, gelacht und ihr prophezeit, dass sie von wilden Bestien zerfetzt werden würde, wenn sie erwachte. Dass sie in dieser Nacht sterben würde.
Mit den Hunden hatte er recht
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