Todeswald
ist das?“, fragte Jo.
„Mein Vater.“
„Was schreibt er?“
Ich las es zuerst still für mich und dann laut:
„ Stehst du auf Balladen?“
„Warum fragt er das?“
„Wahrscheinlich will er sich damit entschuldigen.“
„Habt ihr euch gestritten?“
„Ich bin sauer geworden, weil ich ihm nicht beim Autoreparieren helfen durfte.“
„Jetzt scheint er das wiedergutmachen zu wollen.“
„Dann hätte er ja ‚Tut mir leid‘ schreiben können“, sagte ich und schrieb:
„Balladen sind echt das Letzte.“
Dann läutete es zum Pausenende.
KAPITEL 12
Nach der letzten Stunde beeilte ich mich, hinauszukommen, weil ich hoffte, Linus auf dem Heimweg zu erwischen. Ich erblickte ihn draußen vor der Schule. Er schob sein Fahrrad neben Samir her. Ich folgte ihnen zur Schnellstraße, wo Samir an der Bushaltestelle stehen blieb.
Direkt bevor Linus sich auf den Sattel schwingen wollte, spurtete ich los und holte ihn ein.
„Glöckchen geht’s also besser?“, fragte ich und versuchte möglichst nicht zu keuchen.
Er sah überrascht aus. Wahrscheinlich hatte er mich nicht kommen sehen.
„Ja, sie wollen jetzt mit den Übungen anfangen.“
„Übungen?“
„Krankengymnastik. Nach der Operation ist sie ganz steif und kann kaum laufen.“
„Wann kommt sie nach Hause?“
„Das wissen wir noch nicht. Soll ich dich mitnehmen?“
Ich nickte.
„Hast du diesen Mercedes überprüft?“, fragte er, als wir zu Hause angekommen waren.
Das hatte ich vergessen. Mein Streit mit Papa hatte mich voll in Anspruch genommen.
„Nein, aber das mach ich gleich.“
Obwohl Mama zu Hause arbeitet, sehen wir uns nachmittags kaum. Wenn sie inspiriert ist, arbeitet sie fast rund um die Uhr, für Bagatellen hat sie dann keine Zeit.
Für solche wie mich.
Aber ich bin pflegeleicht.
Mein Lieblingssnack ist Käsetoast und anschließend irgendein leckerer Nachtisch. Zum Beispiel Schokopampe: Kakao, Sahne, Zucker und Butter werden verrührt, dann mischt man noch Cornflakes und Rosinen darunter.
Mama erzähle ich natürlich, ich hätte Vollkornbrot und Obst gegessen.
Nach diesem Imbiss setzte ich mich an den Computer und klickte mich in die Homepage der Kfz-Zulassungsstelle. An die Buchstaben und die ersten beiden Ziffern des Nummernschildes konnte ich mich gut erinnern. Die letzte Ziffer, eine Drei, erwies sich als falsch.
Ich versuchte es mit einer Acht.
Und schon tauchte der flotte Mercedes der S-Klasse auf. Der Wagen war funkelnagelneu und vor zwei Monaten zum ersten Mal gefahren worden.
Zwei Minuten später hatte ich die Telefonnummer des Besitzers, Moritz Kwist aus Lidingö.
„Das soll wohl ein Witz sein?“, sagte er, als ich mit meiner Story über die Probleme mit der Rechnung anfing.
Dann knallte er den Hörer auf.
Also nicht, dachte ich und sandte eine SMS an Linus mit dieser Nachricht.
Als ich nach meiner Nachmittagsrunde mit Wuff hereinkam, war Mama in der Küche. Sie machte sich gerade einen Kaffee.
„Wie war’s heute in der Schule?“
„Gut“, sagte ich.
Damit hatten wir unsere Pflichten erledigt.
Sie war fast schon aus der Küche raus, als sie sich noch einmal umdrehte.
„Ach ja“, sagte sie. „Papa hat mich gebeten, dir das hier zu geben.“
Sie kramte in der Tasche ihrer Strickjacke und zog ein kleines flaches Paket heraus.
„Wann denn?“
„Bevor er abfuhr. Er wollte es dir schon am Freitag geben, doch da sei irgendwas dazwischengekommen, sagte er.“
Sie ging weiter in ihr Arbeitszimmer.
Ich riss das Papier auf. Eine Doppel-CD mit romantischen Balladen.
Balladen sind echt das Letzte.
Ich ging nach oben in mein Zimmer, legte die CD auf, und während die ersten Töne ins Zimmer strömten, nahm ich das Foto von Mama und Papa in die Hand. Ich betrachtete Papas lächelndes Gesicht und plötzlich fehlte er mir so sehr, dass es mir den Hals zuschnürte.
Ich wollte ihn anrufen oder ihm zumindest ein Danke zusimsen.
Er tat mir leid.
Ich hatte ihn lieb.
Aber ich rührte das Telefon nicht an.
KAPITEL 13
Nach meinem Abendspaziergang mit Wuff kam mir eine Idee. Ich war immer noch davon überzeugt, dass es Mikaela gewesen sein musste, die mein Fahrrad geklaut hatte, und nicht Hedvig. Hedvig sammelt Schrott und ist echt durchgeknallt, aber eine Diebin ist sie nicht. Außerdem war ich mir keineswegs sicher, dass das Fahrrad vor Hedvigs Bruchbude tatsächlich gestreift gewesen war.
Ich überlegte eine Zeit lang, wo ich suchen sollte. Mikaela würde ein gestohlenes Fahrrad kaum vor oder
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