Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
bleiben, gleichzeitig tut er ihnen sexuelle Gewalt an, die an Brutalität kaum noch zu überbieten ist.«
Während Jennifer noch nach dem passenden Anschluss für ihren Bericht suchte, warf Grohmann ein: »Und dennoch ist die Tötung der Frauen kein Ritual für ihn, sondern vielmehr eine Notwendigkeit. Er verspürt keine sexuelle Erregung beim eigentlichen Tötungsakt.«
Grohmann hatte also auch die psychiatrischen Gutachten gelesen. Zumindest die Teile, die sein Vorgänger in seinen Akten abgeheftet oder für erwähnenswert gehalten hatte.
»Richtig. Außerdem nehmen die Psychiater nicht an, dass es ihm um irgendeine Art von Mission geht … erst recht nicht im religiösen Sinn. Er arbeitet also nicht auf ein bestimmtes Endziel zu. Deshalb müssen wir im Moment davon ausgehen, dass er nicht von selbst wieder mit dem Morden aufhören wird. Es gibt derzeit keine , zumindest für uns greifbare , Beschränkung der Opferzahl nach oben.«
Jennifer bemerkte, wie der Staatsanwalt die Fotos der Opfer zu Lebzeiten betrachtete. Die Vorstellung, dass sie noch weitere solche Gesichter an die Wand würde pinnen müssen, war in diesem Moment fast unerträglich.
»Und der Täter selbst?«, fragte Grohmann schließlich.
»Bisher ist er ein Phantom. Alles, was wir haben, sind logische Rückschlüsse. Wir sind überzeugt davon, es mit einem männlichen Täter zu tun zu haben, der intelligent ist, sehr planvoll vorgeht und über genügend Kenntnisse verfügt, um sich unseren Ermittlungsansätzen zu entziehen.«
Jennifer sah Grohmanns fragenden Blick, weshalb sie erklärend hinzufügte: »Er hat sich vermutlich sehr gut über unsere Methoden und Möglichkeiten informiert, über Spuren, die uns auf seine Fährte bringen könnten. Und zwar auf fachlicher Ebene. Er bezieht sein Wissen nicht aus Romanen oder TV -Serien.«
Solche Täter gab es tatsächlich. Sie glaubten, den perfekten Mord begehen zu können, nur weil sie hundert Folgen CSI gesehen oder alle Bücher von Kathy Reichs gelesen hatten.
»Er muss über große körperliche Kraft verfügen, denn wir haben keine Hinweise dafür gefunden, dass er die Frauen betäubt, um sie zu entführen. Er muss für seine Vorbereitungen, die wahrscheinlich auch das Ausspionieren der Gewohnheiten seiner Opfer beinhalten, zeitlich flexibel sein. Möglicherweise ist er arbeitslos oder arbeitet im Schichtdienst. Ein Fahrzeug ist für das, was er tut, absolut notwendig. Er lebt vermutlich allein. Er braucht einen ungestörten, sicheren Ort, an dem er die Frauen festhalten kann, der muss aber nicht zwingend in der Nähe seines Wohnorts liegen. Mögliche Unterschlüpfe im Umkreis von fünfzig Kilometern haben wir bereits überprüft. Wir gehen allerdings davon aus, dass er in Lemanshain oder der unmittelbaren Umgebung lebt.«
Die Fundorte lagen alle im Zuständigkeitsbereich der Lemanshainer Behörden. Der Täter fühlte sich auf diesem Terrain sicher, verfügte über sehr gute Ortskenntnisse und kannte sich auch in den umliegenden Wäldern und im Gelände bestens aus.
Grohmann nickte. Diese Informationen waren offenbar ebenfalls nicht gänzlich neu für ihn. »Deutet irgendetwas darauf hin, dass er gefasst werden will?«
Jennifer schüttelte den Kopf. »Das genaue Gegenteil scheint der Fall zu sein. Sonst würde er nicht jedes Risiko vermeiden.«
»Gibt es ein Persönlichkeitsprofil?«, wollte der Staatsanwalt wissen.
»Die Psychologen tendieren zu einer gewissen sozialen Unangepasstheit oder körperlichen Beeinträchtigung. Er hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Probleme mit Frauen, die sich möglicherweise sogar in Frauenhass äußern. Er ist vermutlich der Typ, der weder Frau oder Kinder noch Freunde hat, aber er dürfte auch kein allzu auffälliger Sonderling sein. Außerdem dürfte er sich auch im gewöhnlichen Leben durch große Disziplin und einen ausgeprägten Ordnungssinn auszeichnen. Ein hoher Bildungsgrad ist nicht ausgeschlossen. Er weiß genau, was er tut. Eine Geisteskrankheit ist möglich, aber sie ist allenfalls die Grundlage für seine Taten. Schuldunfähigkeit liegt aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor.«
Grohmann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und stieß hörbar die Luft aus. »Ein Alptraum von einem Serienkiller.«
Jennifer nickte und nippte an ihrer Cola. »Keine Zeugen. Keine Hinweise. Wir haben die Opfer bis in ihre Strumpfschubladen hinein durchleuchtet, in der Hoffnung, wenigstens eine Ahnung davon zu bekommen, wie er sie auswählt oder wo er ihnen
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