Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Töchter der Luft

Töchter der Luft

Titel: Töchter der Luft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Glemser
Vom Netzwerk:
Maske ab, schnallte die Sauerstoffflasche ab und verstaute sie in dem Fach über Reihe sieben, wo sie hingehörte. Sie wog eine Tonne, wie mir plötzlich klarwurde, ohne sie fühlte ich mich leicht wie eine Feder, janyce kam an mir vorbei auf dem Weg zur Kanzel, gab mir einen Klaps auf den Po und sagte: »Nicht schlecht, nicht schlecht.« Die Männer um mich her seufzten und reckten sich, einige hielten noch immer ihre Masken fest und atmeten Sauerstoff ein, andere lachten nervös und tauschten ein paar geflüsterte Worte. Ein paar machten Anstalten, sich bei mir zu bedanken. Einer drückte mir einen Zwanzig-Dollar-Schein in die Hand, und ich mußte ihm höflich erklären, daß wir keine Trinkgelder annehmen durften, ich erklärte ihm nicht, daß es uns aus geheimnisvollen Gründen gestattet war, Beträge über zwanzig Dollar anzunehmen, weil sie als Geschenke galten und nicht als Trinkgelder — es war keine Zeit dazu, auf die Feinheiten der Regeln der Gesellschaft einzugehen. Ich prüfte mit einem Blick die Lage: alle schienen am Leben zu sein und in verhältnismäßig guter Verfassung. Ein paar Männer hielten einen Kartentisch vor das zersplitterte Fenster. Ich sagte: »Danke für die Hilfe«, und sie grinsten mich an, und einer von ihnen sagte: »Wir mußten schließlich irgend etwas tun, Miß. Zog allmählich ‘n bißchen hier drin.«
    Und endlich sah ich Ray wieder.
    Er saß und ich stand, und wir schauten einander nur an. Sein Gesicht war verstört. Er sagte sehr leise: »Geht es dir gut?«
    »Ja. Und dir?«
    »Gut.«
    Er wandte den Blick von mir ab. Ich konnte nicht sprechen, ich wußte nicht, was ich sagen sollte; mein Gefühl überwältigte mich plötzlich, und ihm ging es nicht anders, das fühlte ich. Wir hatten gemeinsam etwas überstanden.
    Er sagte: »Wollten wir nicht gerade etwas verabreden, als wir unterbrochen wurden? Wie ist es, wir essen doch zusammen?«
    »Ja, Ray.«
    »Im Maxim?«
    »Ja, Ray.«
    »Was hältst du davon, wenn wir Champagner tränken dazu?«
    »Das wäre wunderbar.«
    Ich stand da und schaute ihn ein paar Augenblicke lang an, wortlos, was sollte ich hier auch schon sagen!. Dann ging ich weiter zur nächsten Reihe, wo Luke saß. Er hatte seine großen knochigen Hände lose über die Augen gelegt.
    Es blieb mir keine Zeit, mit ihm zu sprechen, Jurgy kam mit großen Schritten den Gang entlang, aschgrau im Gesicht.
    »He, Jurgy«, rief ich, aber sie öffnete kaum die Lippen zu einer Antwort. Sie starrte Luke an. Er spürte, daß sie da war, aber er nahm die Hände nicht von den Augen, als könnte er es nicht ertragen, die Szene um ihn her zu sehen.
    »Luke«, sagte sie, »ich habe soeben ein paar Burschen sagen hörend du hättest das Fenster eingeschlagen, du seiest schuld an diesem schlimmen Streich.«
    »Ja, Mary Ruth.« Er senkte langsam die Hände.
    »Es ist also wahr.«
    »Es ist wahr, Mary Ruth.«‘
    Sie zog den Felsen von Gibraltar vom vierten Finger ihrer linken Hand und hielt ihn ihm hin. »Hier.«
    Er starrte verständnislos darauf.
    »Nimm«, sagte sie.
    Er fing an zu zittern. Er brachte kein Wort heraus.
    »Ich brauch’ ihn nicht mehr«, sagte sie.
    Er schaute zu ihr hinauf, flehend. »Mary Ruth, mein Herzblatt —«
    »Keine Widerrede. Nimm.«
    Seine Stimme klang kläglich. »Aber, Mary Ruth, mein Herz jeder Mensch darf sich doch wohl mal einen kleinen Fehler leisten.«
    »Einen kleinen Fehler!« fauchte sie. »Du Trunkenbold! Du hättest beinahe alle hier in diesem Flugzeug umgebracht.«
    Dicke Tränen liefen ihm über die Wangen.
    »Ich hoffe zu Gott, daß man dich dafür fünf Jahre lang ins Gefängnis sperrt. Das hast du verdient — das ist das mindeste, was du verdienst.«
    »Du hast recht, Mary Ruth. Ich weiß, ich weiß.«
    Auch sie weinte. »Luke Lukas«, sagte sie, »hör gut zu. Ich schwör s bei meinem Schöpfer, wenn ich dich noch jemals einen Tropfen Alkohol trinken sehe, zieh ich dir die Haut ab bei lebendigem Leibe. Hörst du! Ich schwör’s!«
    Ich ging wieder in die Kombüse. Kay räumte gerade die Trümmer fort. »Oh, da bist du«, sagte sie. »Sput dich, Kindchen. Wir machen Zwischenlandung in Shannon.«
    »Was machen wir?« fragte ich.
    »Wir machen Zwischenlandung in Shannon für Reparaturen und Überprüfung. Wir übernachten da.«
    Ich seufzte. So ist das Leben. Ich fing gerade erst an, mich an seine kleinen Tricks zu gewöhnen. Da ist man eingestellt auf große Romantik in Paris im Frühling, und wo findet man sich wieder? Gestrandet in

Weitere Kostenlose Bücher