Töchter des Schweigens
Eigentlich sollte er vor Freude Purzelbäume schlagen, oder nicht?«
Während die jungen Leute in der Diskothek tanzten, haben sich die Lehrer für eine Weile auf die Terrasse zurückgezogen und ein Eis gegessen, wobei Loles die Neuigkeit bekannt gegeben hat: Sie ist im vierten Monat.
»Tja. Manche Männer fühlen sich plötzlich gefangen, wenn sie erfahren, dass ein Kind unterwegs ist, als wären sie in eine Falle geraten, aus der sie nicht wieder herauskommen. Abgesehen davon, Javi, bin ich sicher, dass Telmo Loles nicht mehr liebt.« Marisa spricht jetzt so leise, dass Javier sich zu ihr hinüberbeugen muss, bis ihre Lippen fast sein Ohr streifen.
»Was du nicht sagst!«
»Siehst du nicht, wie er mit ihr umgeht? Immer kurz angebunden, als würde er im nächsten Augenblick wegen irgendeiner Kleinigkeit explodieren. Das geht schon seit Monaten so, und behaupte jetzt nicht, du hättest es nicht bemerkt. Er wollte nicht einmal, dass sie mit nach Mallorca fährt, angeblich wegen der Schwangerschaft und weil sie sich schonen soll …«
»Na, so was! Vielleicht bin ich blöd, aber das ist mir gar nicht aufgefallen.«
»Ich glaube, im letzten Jahr gab es sogar eine Zeit, in der er über eine Trennung nachgedacht hat. Da ich ja immer auf dem Laufenden bin, was Stellenausschreibungen angeht, hat er mich gefragt, ob ich wisse, wo Lehrer für klassische Philologie gesucht werden. Ich habe geantwortet, für klassische Philologie gebe es noch etwas, aber für Mathe nicht, und da hat er gesagt, das sei nicht schlimm, Loles könne ja noch zwei Jahre in Elda bleiben, und dann würden sie weitersehen. Ich war baff, kann ich dir sagen. Aber wenn sie jetzt ein Kind bekommen, ist daran natürlich nicht mehr zu denken. Er wird sie unter diesen Umständen nicht verlassen.«
»Und ohne Kinder würde er das tun? Bist du für die Ehescheidung?«
»Na klar, Mann Gottes, wie jeder vernünftige Mensch.«
»Ich bin ein vernünftiger Mensch, und ich bin dagegen.«
»Du bist ja auch Priester.«
»Das mag ein Grund sein, aber wenn man heiratet, heiratet man. Fürs ganze Leben.«
»Ach, hör doch auf! Selbst ihr Priester könnt doch alles hinschmeißen!«
»Und verhungern.«
»Das sind ökonomische Fragen, Javi, kapitalistische, die nichts mit Ethik oder Moral zu tun haben. Ich dachte, das sei unser Diskussionsthema.«
Javier schaut aus dem Fenster. Der Minibus ist in den Weg eingebogen, der zwischen Oleanderbüschen und Zypressen zum Hotel führt.
»Schicken wir diese Blagen ins Bett und unterhalten wir uns bei einem Absacker weiter, einverstanden?«, sagt er leichthin, um Marisa nicht merken zu lassen, wie wichtig dieses Thema für ihn ist, wie sehr es ihn bereits seit einigen Jahren beschäftigt, ohne dass er mit jemandem darüber sprechen kann, und dass er seit den verfluchten Exerzitien vor knapp drei Monaten das Gefühl nicht loswird, dass der Punkt erreicht ist, an dem eine endgültige Entscheidung unumgänglich geworden ist. Für oder gegen das Priesteramt, aber für immer.
»Du bezahlst«, sagt Marisa lächelnd.
»Abgemacht.«
Mati ist unruhig. Nach reiflicher Überlegung hat sie sich am Ende doch entschlossen, mit den anderen nach Palma zu fahren, weil sie sich schon denken kann, was Reme und der blonde Hüne mit der brutalen Visage treiben und wozu Candela und Marga die Zeit nutzen. Von dieser Seite gibt es nichts Neues, wogegen sie gehofft hat, bei dem Ausflug nach Palma ein wenig mehr über die anderen in Erfahrung zu bringen, aber viel ist nicht dabei herausgekommen: Magda hat mit César geknutscht, statt mit Ausländern zu flirten; Tere hat mit Hinz und Kunz getanzt, aber eher die schnellen als die langsamen Stücke – sie ist nach wie vor ein bisschen wunderlich, sagt aber nichts, dem sich entnehmen ließe, was sie hat –; Ana ist den ganzen Abend herumgehüpft und hat so viel gelächelt, dass sie jetzt Muskelkater im Gesicht haben muss, ansonsten aber nichts Besonderes angestellt.
Mati hat Sole verfolgt, um sie allein zu erwischen und ihr die Überraschung zu bescheren, die sie für sie bereithält, dann aber einsehen müssen, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war und sie lieber warten sollte, bis sie wieder im Hotel sind. Sie streichelt über ihre Handtasche, fühlt einen fast unbezwingbaren Drang, das Foto herauszuholen und noch einmal anzusehen, obwohl sie es in- und auswendig kennt, doch sie beherrscht sich und blickt hinaus in die Dunkelheit. Sie sind beinahe da.
Bevor sie zu Bett geht, würde sie
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