Töchter des Schweigens
Das musst du gerade sagen!«
Immerzu lachend ziehen sie sich rasch aus, Candela streift ihr Höschen ab und treibt Marga mit Gesten zur Eile.
»Das Höschen auch?«
»Na klar, Dummerchen. Das ist doch der Witz dabei, nackt zu baden.«
»Wenn die im Dorf uns jetzt sehen könnten …« Unter Lachkrämpfen zieht Marga den Fuß durch das Gummiband und spürt, wie ihr die Brise zwischen die Beine bläst.
Eine Minute später sind sie im Wasser, das lau ist von der Sonne, klar, gesprenkelt vom ersten Licht des Mondes, der sich genau vor ihnen über den Horizont erhebt.
»Sieh nur, Marga«, sagt Candela plötzlich feierlich, »sieh nur.« Sie streckt die Hände in den Mondstrahl, hebt sie dann über den Kopf und lässt das Wasser über ihre Arme und Brüste rieseln. »Das ist, als badete man in Silber.«
Jetzt befinden sie sich beide auf dieser glitzernden Bahn, die vor ihnen und um sie herum blinkt, als wiese sie ihnen den Weg in die Zukunft. Das Wasser reicht ihnen bis zur Taille, und die Wellen klatschen gegen ihren Körper, ehe sie im weißen Sand ausrollen.
»Für mich ist das das Schönste, was ich je erlebt habe«, flüstert Candela und greift nach Margas Hand.
»Für mich auch«, erwidert Marga fast tonlos.
Sie küssen sich. Zuerst langsam, vorsichtig, abwartend. Dann immer heftiger, hungriger, besitzergreifender. Die Berührung mit der Haut der anderen verursacht eine Art elektrischen Schlag, den sie abzumildern versuchen, indem sie einander streicheln, erforschen, entdecken. Am Himmel, der jetzt samtig wirkt, steigt der Mond höher und überstrahlt mit seinem Glanz die Sterne. Die ganze Welt ist zu einer mit flüssigem Silber gefüllten Schale geworden, das sie umspielt und einhüllt. Die Zeit ist stehen geblieben.
Zurück am Strand, wälzen sie sich eng umschlungen im Sand, ungeachtet der Algen und Muschelschalen, die an ihrer feuchten Haut kleben. Sie küssen sich, lecken sich, lassen die Hände über den Körper der anderen gleiten, überwältigt, weil sie ihn erkennen wie eine vergessene Erinnerung.
Hinterher baden sie noch einmal und steigen dann, noch nass, die endlose Treppe hinauf zum Hotelgarten. Sie wissen nicht, wie spät es ist, und wollen es auch gar nicht wissen. Oben angekommen, spähen sie durch die Oleanderbüsche, um sich zu vergewissern, dass niemand in der Nähe ist, dann rennen sie hinüber zu ihrem Bungalow, die Kleider gegen die Brust gedrückt, halbtot vor Lachen.
Ohne das Licht im Zimmer einzuschalten, schieben sie die beiden Betten zusammen und fallen, noch gieriger als zuvor, auf die Laken, verrückt nach dem Salzgeschmack ihrer Haut und dem feinen Duft nach Kokosöl, den Candela für immer mit der Glückseligkeit verbinden wird und Marga mit dem Wahnsinn.
Zwei Bungalows weiter unten probieren Reme und ihr Schwede, der Olaf Svensson heißt und Techniker in einer Schiffsmotorenfabrik ist, seit zwei Stunden alle denkbaren – und viele für Reme bis dahin undenkbaren – Stellungen aus.
Auf der Rückfahrt von ihrem Diskobesuch in Palma lästern die Mädchen über Manolo, der eine Stinkwut hatte, weil Marga nicht da war. Don Javier und Doña Marisa sitzen nebeneinander auf den vorderen Sitzen, hören das Gekicher und lächeln sich augenzwinkernd zu, weil sie sich zurückversetzt fühlen in ihre eigene Jugend. Magda hat die Stirn ans Fenster gelehnt und gibt sich der Erinnerung an Césars Küsse hin. Sie hat als Einzige nicht mit Ausländern getanzt, sondern war den ganzen Abend nur mit ihm zusammen gewesen. Er gefällt ihr schon lange, aber sie hat immer gedacht, dass er sich ausschließlich für Marga interessiert und nur sie für etwas Besonderes und seiner würdig hält. Und heute hat sich herausgestellt, dass sie sich getäuscht hat, dass Marga und César nur Freunde sind und in Wahrheit Magda diejenige ist, die ihm am besten gefällt. Er hat wortwörtlich gesagt: »Du bist eine wunderbare Frau, Magda. Die einzige Frau, die mich interessiert.« Sie presst beide Hände auf den Bauch und lächelt der Nacht zu, dem Mond, den Scheinwerferstrahlen, die dem Minibus vorauseilen.
»Jetzt verstehe ich, warum Telmo so komisch ist«, sagt Marisa leise, damit die Schülerinnen sie nicht hören, wobei das bei dem Gelächter und Gegröle sowieso schwierig wäre.
»Findest du etwa, die Schwangerschaft seiner Frau rechtfertigt seine Reizbarkeit?« Javier ist verblüfft. »Aber Loles hat doch gesagt, sie versuchen es schon seit Jahren, und sie hätte schon zwei Fehlgeburten gehabt …
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