Tödliche Geschäfte
Hast du mir irgendwas verschwiegen?«
»Nein«, sagte Sean. Er zögerte, bevor er hinzufügte: »Na ja, also das heißt, doch. Ich mache ein zweimonatiges freiwilliges Forschungspraktikum.«
»Wo?«
»In Miami, Florida.«
»Du wolltest es mir nicht erzählen?«
»Doch, natürlich wollte ich das. Ich hatte vor, es dir morgen abend zu sagen.«
»Wann fährst du?«
»Sonntag.«
Janet ließ ihren Blick wütend durch den Raum schweifen, während ihre Finger unbewußt einen Rhythmus auf die Tischplatte trommelten. Sie fragte sich, womit sie eine derartige Behandlung verdient hatte. Dann sah sie wieder Sean an und fragte: »Du wolltest bis zum Abend vor deiner Abreise warten, um mir das zu sagen?«
»Es hat sich erst im Laufe dieser Woche ergeben. Bis vor zwei Tagen war es nicht mal sicher. Ich wollte den passenden Moment abwarten.«
»In Anbetracht des Stands unserer Beziehung wäre der passende Moment wohl der gewesen, als es sich ergeben hat. Miami? Warum gerade jetzt?«
»Erinnerst du dich noch an die Patientin, von der ich dir erzählt habe? Die Frau mit dem Medulloblastom?«
»Helen Cabot? Die attraktive Studentin?«
»Genau die«, sagte Sean. »Als ich über ihren Tumor gelesen habe, habe ich entdeckt…« Er hielt inne.
»Was hast du entdeckt?« wollte Janet wissen.
»Nun, es hatte eigentlich nichts mit meiner Lektüre zu tun«, verbesserte sich Sean. »Einer der behandelnden Ärzte sagte, daß ihr Vater von einer Behandlungsmethode gehört hat, die offenbar eine Remissionsrate von hundert Prozent erzielt. Sie wird exklusiv im Forbes-Krebsforschungszentrum in Miami angewandt.«
»Also hast du beschlossen, dorthin zu gehen. Einfach so.«
»Nein, genau so war’s nicht«, erwiderte Sean. »Ich habe mit Dr. Walsh gesprochen, der den Direktor, einen gewissen Randolph Mason, zufällig kennt. Sie haben vor ein paar Jahren zusammen am National Institute of Health gearbeitet. Dr. Walsh hat ihm von mir erzählt und mir ein Praktikum verschafft.«
»Das ist der absolut falsche Zeitpunkt für so was«, sagte Janet. »Du weißt doch, daß ich unsretwegen schon genug durcheinander bin.«
Sean zuckte die Schultern. »Tut mir leid. Aber ich habe gerade jetzt die Zeit, und es könnte sehr wichtig für mich sein. Bei meinem Forschungsprojekt geht es auch um die molekulare Grundlage des Krebses. Wenn sie dort für einen ganz bestimmten Tumor eine Remissionsrate von hundert Prozent erzielen, muß das auch Implikationen für alle anderen Krebsarten haben.«
Janet fühlte sich schwach. Daß Sean sie für zwei Monate verlassen wollte, kam ihr vor wie der psychische Super-GAU. Dabei waren seine Motive durchaus edler Natur. Er wollte schließlich keinen Urlaub im Club Med machen oder so etwas Ähnliches. Wie konnte sie da wütend oder mißgünstig sein. Sie war völlig verwirrt.
»Es gibt doch Telefon«, sagte Sean. »Ich fliege ja nicht zum Mond. Es sind nur ein paar Monate. Und du verstehst doch, daß das für mich sehr wichtig sein könnte.«
»Wichtiger als unsere Beziehung?« platzte Janet los. »Wichtiger als der Rest unseres Lebens?« Fast im selben Moment kam sie sich albern vor. Solche Fragen klangen immer pubertär.
»Wir wollen nicht anfangen, über Äpfel und Birnen zu streiten«, sagte Sean.
Janet seufzte schwer und kämpfte mit den Tränen. »Laß uns später darüber reden«, brachte sie schließlich hervor. »Das ist wohl kaum der passende Ort für eine Auseinandersetzung.«
»Heute abend nicht«, sagte Sean. »Es ist Freitag und…«
»Und du mußt in diese blöde Kneipe gehen«, fuhr Janet ihn an. Sie sah, daß sich einige der anderen Anwesenden umdrehten und sie anstarrten.
»Schrei nicht so, Janet!« sagte Sean. »Samstag abend treffen wir uns wie verabredet. Dann können wir reden.«
»Du mußtest doch wissen, wie sehr mich diese Trennung aufregen würde! Ich kann nicht begreifen, warum du nicht einmal auf ein Besäufnis mit deinen billigen Freunden verzichten kannst.«
»Sei vorsichtig, Janet«, warnte Sean sie. »Meine Freunde sind mir wichtig. Das sind meine Wurzeln.«
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke mit einer Feindseligkeit, die fast mit den Händen greifbar war. Dann drehte Janet sich um und verließ mit entschlossenen Schritten den Raum.
Verlegen blinzelte Sean in die Runde seiner Kollegen. Die meisten von ihnen wichen seinem Blick aus, bis auf Dr. Clifford Walsh. Er war ein großer Mann mit einem Vollbart und trug einen langen weißen Kittel, dessen Ärmel bis zu den
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