Toedliche Hoffnung
Amerikaner.«
Er warf einen kurzen Blick auf das Foto und schüttelte den Kopf, wandte sich ab und begann, eine Zigarette zu drehen. Am Stand nebenan probierten zwei Teenies abgewetzte Armeejacken an.
»Er war vor zwei Wochen hier«, bohrte ich weiter. »Ich glaube, er fragte nach Luc.«
Der Mann zuckte mit den Achseln und schob sich die Zigarette in den Mund.
»Du kriegst sie für vierzig, wenn du dich bald entscheidest.«
»Er kam nur hierher, um nach dir zu fragen«, sagte ich. »Sonntag oder Montag vor zwei Wochen. Überleg mal scharf.«
»Okay, okay.« Er zeigte auf die Tasche, die ich in der Hand hielt. »Heute mache ich dir einen Spezialpreis. Du bekommst sie für fünfunddreißig.«
»Kein Problem«, sagte ich und zückte mein Handy. »Dann rufe ich stattdessen die Polizei an. Die wird es sicher aus dir herausquetschen können.«
»Hör doch auf.«
»Aber in erster Linie ist sie wahrscheinlich daran interessiert, deine Papiere zu sehen. Es stimmt doch, dass sich das achte Bureau der Préfecture de Police um Fälle wie dich kümmert?«
Ich tippte aufs Geratewohl eine Nummer.
»Tu das Ding weg, verdammt noch mal. Hör auf damit.«
»Kein Grund zur Beunruhigung, Luc, mein Freund, du bekommst was zu essen und ein Dach über dem Kopf in einer hübschen kleinen Zelle auf der Île de la Cité, bevor sie dich aus dem Land werfen. Natürlich nur, falls du keine Papiere hast, die dich als legalen Bürger der Republik Frankreich ausweisen.«
»Ich weiß nicht mal, worum es geht. Ich habe einfach nur gemacht, was sie mir gesagt haben.«
»Was wer gesagt hat?«
Luc zog seine bunte Strickmütze vom Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ich peilte mit dem Zeigefinger erneut die Tasten meines Handys an.
»Sieh es doch mal von der positiven Seite«, sagte ich. »Wenn sie dich mitnehmen, musst du nicht länger hier im Regen stehen und Taschen verticken.«
»Sie haben mich bezahlt, okay. Ein Typ hat mir gesagt, dass ich zweihundert Euro kriege, wenn ich mit einem spreche, der vorbeikommt,das war alles.« Er wippte mit den Füßen gegen den Takt irgendeiner westindischen Musik vom Stand nebenan. »Er sollte hierherkommen und nach Luc fragen, das war sozusagen das Stichwort.«
»Und was solltest du sagen, wenn er kam?«
Noch immer hielt ich das Telefon in die Luft wie eine entsicherte Waffe.
»Ich sollte ihm nur eine Telefonnummer geben und irgendetwas sagen wie ›ruf hier an und sage dies, dann bekommst du, was du brauchst‹.« Luc grinste. »Ich dachte, es würde sich um einen Scherz handeln, es klang ja, als würde er, na du weißt schon, suchen.« Er machte ein paar Stoßbewegungen mit der Hüfte. Ich fixierte ihn.
»Achtes Bureau«, sagte ich.
»Es war reiner Unsinn, es hatte nichts zu bedeuten.« Er kickte gegen einen Haufen Zigarettenkippen, der sich im Rinnstein gebildet hatte. »Ich möchte über Josef K. sprechen.«
»Und das sollte er sagen, wenn er anrief?«
Luc zuckte mit den Schultern. »Ich habe doch gesagt, dass es nichts zu bedeuten hat.«
Ein blondierter Teenie und seine Mutter drängten sich neben mich und begannen, Taschen zu inspizieren, sie sprachen Russisch miteinander.
»Wer hat dich bezahlt?«, fragte ich.
»Jetzt komm schon, meine eigentliche Arbeit ist hier. Ich kannte ihn nicht.« Luc sah sich um.
»Wie sah er aus? Schwarz, weiß, groß, schmal, dünn, reich?«
Angestrengt lächelte er den Teenie an. »Du kriegst sie für dreißig«, sagte er und zeigte auf eine Katzentasche. Dann wandte er sich erneut mir zu.
»Er war weiß, irgendein Anzugträger eben, frag mich doch nicht.«
»Hatte er ziemlich helle, fast weiße Augen?«
»Hör doch auf, er sah einfach aus, wie diese Typen eben so aussehen.«
Die Russinnen waren bereits auf dem Weg zum nächstenStand. Luc schüttelte den Kopf und zog sich wieder seine Mütze auf. »Wirklich, ich weiß nicht mehr.«
Ich überquerte den Boulevard Michelet und ging Richtung Osten in ein Industriegebiet. Im Kopf ergänzte ich auf meinem Diagramm die neuen Informationen.
Patrick hatte die Information über Josef K. erhalten. Er hatte am nächsten Tag aus dem Hotel ausgecheckt. Nur noch eine Sache zu erledigen, schrieb er mir. Den Menschenhändler zu treffen?
Ich bog nach links ab und lief an einem riesigen Güterbahnhof vorbei, wo die Stromleitungen kreuz und quer in der Luft hingen. Das abgebrannte Hotel lag knapp zwei Kilometer von hier entfernt. In Patricks Notizbuch war eine weitere Adresse in diesem Gebiet
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