Tödliche Investitionen
Gunnarstranda blätterte sich langsam hindurch. Die Serie zeigte das Schicksal einer blonden Frau. Erst an einen Stuhl gefesselt, mit Stricken und Ketten, die sich in ihre Haut einschritten. Hilflos, nackt, eine Art Knebel in den Mund gepresst. Kugelrunde, verängstigte Augen und aufgequollene Adern am Hals, als ob ihr etwas unendlich wehtäte, dachte Frølich. Auf dem nächsten Bild hing sie mit dem Kopf nach unten, noch immer festgebunden, noch immer nackt, und noch immer zeichnete sich dieser stumme Schmerzensschrei in ihrem Gesicht und an ihrem Hals ab. Dann packte eine grobe Männerhand ihre Haare, während eine andere ihr ein Messer in die Haut am Hals drückte. Franken fragte sich, ob das Schwarze auf dem Bild wohl das Blut der Frau sein könnte. Vermutlich, dachte er.
Gunnarstranda blickte von der Zeitschrift hoch. »Ist es vielleicht so abgelaufen?«
Johansen gab keine Antwort.
Gunnarstranda blätterte weiter. Eine andere Frau. Andere Stricke. Ein schwarzes Seil fest über den Brüsten, ein Seil, das die Beine in eine unnatürliche Stellung zwang. Jetzt zwei Männerhände. Zwei Hände, die versuchten, die Frau zu erdrosseln.
»Du siehst dir also gern Frauen mit einem Strick um den Hals an, Johansen«, flüsterte Gunnarstranda. »Vielleicht träumst du auch davon, selber an dem Seil zu ziehen, vielleicht war das dein Traum, als du dir hier nachts einen runtergeholt hast, du wolltest zu der Kleinen da unten und ihr langsam den Hals zudrücken und den Strick zusammenziehen und ziehen und ziehen und spüren, wie sie hilflos in deinen Armen zittert?«
Johansens Augen waren matt. Passiv und ausdruckslos sahen sie den kleinen Mann an, der jetzt aufgestanden war und um den Tisch herumkam.
»Das weißt du besser, du verdammtes Vieh«, spuckte der Alte Gunnarstranda hasserfüllt entgegen, der jetzt nur fünf Zentimeter entfernt war.
»Wenn das so klar ist, Johansen, dann erzähl mir doch langsam und in aller Ruhe, wie zum Henker du etwas sehen konntest, das da unten in der Bude hinter vorgezogenen Vorhängen passiert ist!«
»Sie hat sie vorgezogen. Sie hat sie vorgezogen, als er gegangen ist. Sie hat mich alles sehen lassen, bis er gegangen ist, dann hat sie dicht gemacht. Sie hat mir zugewinkt und die Vorhänge dicht gemacht.«
Das Letzte kam in der schmerzerfüllten Stimme von vorhin.
Frank Frølich runzelte die Stirn. Gewinkt, dachte er verwundert.
Gunnarstranda richtete sich ein wenig auf. Die Entfernung zwischen ihm und dem Alten betrug ungefähr einen halben Meter. »Und dann ist er gegangen? Ohne irgendwen umzubringen?«
»Er hat gewartet, hat gewartet, bis sie die Vorhänge zugezogen hatte, und dann hat er sie umgelegt.«
»Das saugst du dir aus den Fingern.«
»Aber das ist doch logisch!«
Johansen hatte seine normale Gesichtsfarbe wiedererlangt. Die bedrohliche Stimmung war verflogen. Seine Hand umklammerte seinen Tabak.
Gunnarstranda ging zum Fenster und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Ich will ganz genau wissen, was du gesehen hast«, erklärte er ruhig und steckte sich auch eine Zigarette an. »Sonst nichts, nicht, was du glaubst oder was du meinst, sondern schlicht und ergreifend das, was du gesehen hast.«
Johansen stand auf. »Dann sage ich dir das ganz klar und deutlich«, sagte er schroff. Im Stehen überragte er den Polizisten um einiges, obwohl er sich mit den Handflächen gegen den Fensterrahmen stützte und sich nicht zu seiner vollen Größe aufrichtete.
»Ich erzähle es dir«, murmelte er arrogant mit schiefem und triumphierendem Lächeln. Franken lauschte gespannt.
Johansen zeigte nach unten. »Siehst du den Bretterzaun an dem Abbruchgrundstück?«
Der Alte richtete seinen Zeigefinger auf eine klaffende Lücke in der Häuserfront. Ein hoher Bretterzaun sperrte das Abbruchgrundstück ab.
»Da war er«, flüsterte Johansen. »Nachdem er meine kleine Rose umgelegt hatte.«
Der Blick des Alten war verschleiert und in sich gekehrt. Er sprach zu sich selbst, ins Leere.
»Mich hat er nicht reinlegen können«, sagte er dann. »Er wollte wahrscheinlich nicht gesehen werden, und deshalb hat er um Tor und Ausgang einen Bogen gemacht. Er hat sich rausgeschlichen, da, über diesen Zaun. Ich hab ihn nämlich über den Zaun klettern sehen. Seine ganze Visage war blutverschmiert! Und es war mindestens eine Viertelstunde vergangen, seit sie die Vorhänge vorgezogen hatte, als er da unten auftauchte!«
Gunnarstranda sah gedankenverloren aus dem Fenster.
»Eine Viertelstunde«,
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